Kieler WocheEinbruch, Umbruch und Aufbruch

Tatjana Pokorny

 · 23.06.2012

Kieler Woche: Einbruch, Umbruch und AufbruchFoto: segel-bilder.de
Wolfgang Hunger hat seinen eigenen Rekord um einen Sieg verbessert, gewann mit Vorschoter Julien Kleiner zum 20. Mal auf der Kieler Förde

Trotz schwacher Teilnehmerzahlen herrscht Aufbruchstimmung im Wimbledon des Segelsports: Die Kieler Woche bleibt so jung wie ihre Teilnehmer

  Das Team vor und hinter den Kulissen der Kieler WocheFoto: okpress
Das Team vor und hinter den Kulissen der Kieler Woche

130 Jahre nach ihrer Premiere segelt die Kieler Woche auf zu neuen Ufern. Die weltgrößte Regattaserie startet mit gesunkenen Teilnehmerzahlen im Rücken, einem neuen Regattachef für 2013 und vielen neuen Ideen in die Zukunft.

Für den Teilnehmerschwund – 2012 waren es mit 3.500 Startern rund 1.000 weniger als im vergangenen Jahr - sind vor allem die unbeständige Klassenpolitik des Welt-Seglerverbandes (Isaf), aber auch die zeitliche Nähe zur bevorstehenden olympischen Regatta vor Weymouth in England verantwortlich.

  Wolfgang Hunger mit Julien Kleiner unwiderstehlich auf dem Weg zum 20. Kieler-Woche-SiegFoto: segel-bilder.de
Wolfgang Hunger mit Julien Kleiner unwiderstehlich auf dem Weg zum 20. Kieler-Woche-Sieg

Gefangen in der Zeit-Falle zwischen der in einen ohnehin vollen europäischen Terminkalender gequetschten Weltcup-Regatta Sail for Gold, die zwei Wochen vor der Kieler Woche im Olympiarevier stattfand, und der olympischen Regatta samt erforderlichem Vorabtraining, konnte die Kieler Woche in diesem Jahr nur verlieren. Die Folge: Kaum ein internationaler Olympiastarter kreuzte vor Kiel auf. Dabei hatten die Organisatoren überaus flexibel auf die vom Welt-Seglerverband erst im Mai eingeführten neuen olympischen Disziplinen und das unglückliche Timing reagiert. Doch gegen die Fokussierung der Olympioniken auf Weymouth war kein Kraut gewachsen. Der nach 26 Jahren im Kieler-Woche-Einsatz scheidende Organisationschef Jobst Richter äußerte sich entsprechend deutlich: "Die Isaf hat mehr als einmal unsere Pläne durchkreuzt."

Leichtes Heimspiel für deutsche Olympioniken

Angesichts dieser Konstellation hatten die deutschen Olympiastarter ein weitgehend leichtes Heimspiel, konnten noch einmal Selbstbewusstsein tanken. Lasersegler Philipp Buhl aus Sonthofen, die 49er-Olympiastarter Tobias Schadewaldt und Hannes Baumann aus Kiel, die 470er-Olympiateilnehmer Ferdinand Gerz und Patrick Follmann aus München sowie die Berliner 470er-Nachwuchs-Crew Annika Bochmann/Elisabeth Panuschke gewannen vier der nur sechs ausgeschriebenen Titel in olympischen Klassen. Kriminal spannend verlief wie schon im vergangenen Jahr der Showdown zwischen Philipp Buhl und dem olympischen Hoffnungsträger Simon Grotelüschen im Laser. Die beiden Sparringspartner lieferten sich in der ersten olympischen Hälfte der Kieler Woche erneut ein kämpferisches Medaillenfinale, das dieses Mal der jüngere Buhl nach einem taktischen Fehler von Simon Grotelüschen für sich entscheiden konnte.

Drei aussterbende olympische Disziplinen – Surfen für Männer und Frauen sowie das Matchrace für Frauen – konnten mangels Masse gar nicht ausgetragen werden. DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner erklärte: "Die Isaf hat für die Olympischen Spiele 2016 40 Prozent des olympischen Programms verändert. Das bedeutet einen gewaltigen Umbruch für alle Beteiligten."

"Die innovativste Regatta der Welt"

Dennoch bleibt die Kieler Woche, die vorerst zum letzten Mal Gastgeberin eines Weltcup-Finals war, die weltgrößte Regattaserie. 2013 wird sie Teil einer selbst mitgegründeten Europa-Serie sein. Schon in diesem Jahr hatten die Veranstalter blitzschnell auf die erst im Mai für 2016 neu eingeführten Olympiadisziplinen reagiert und Kiten als Demonstrationssport aufgenommen. Job Richter sagte: "Die Kieler Woche ist die innovativste Regatta der Welt."

In der zweiten, nicht olympischen Hälfte der Kieler Woche jagte der 51 Jahre alte Seriensieger Wolfgang Hunger einmal mehr seinen eigenen Fabelrekord: Der neunmalige Weltmeister ersegelte mit Vorschoter Julien Kleiner im 505er seinen 20. Kieler-Woche-Sieg und sagte: "Früher habe ich meine Siege hier nicht gezählt, aber mit der Zeit sind sie mir doch ans Herz gewachsen. Die Wertigkeit dieses Sieges ist schon höher als sonst."

Auch Zweikufen-Ass Detlef Mohr konnte ein kleines Sieg-Jubiläum feiern: Gemeinsam mit Vorschoterin Karen Wichardt feierte er seinen vierten Kieler-Woche-Erfolg. Für den Steuermann selbst war es der insgesamt zehnte Triumph. Krimiautor Jan von der Bank, 2005 Weltmeister im Contender, musste sich in diesem Jahr dem Dänen Søren Andreasen beugen und mit Platz zwei zufrieden sein.

Philipp Buhls kurz aufkeimende Hoffnung auf einen zweiten Kieler-Woche-Sieg binnen einer Woche vereitelten Szabolcs Majthenyi und Andras Domokos. Mit acht Siegen in zehn Wettfahrten ließen die achtmaligen ungarischen Weltmeister im Flying Dutchman dem deutschen Talent und seinem Vorschoter Adalbert Netzer trotz eines Frühstarts keine Chance. Noch dominanter gewannen nur Johannes Polgar und Markus Koy die nach dem Olympiaaus für 2016 in die internationale Hälfte verlegte Serie der Starboote. Nach zehn Wettfahrtsiegen in Folge durfte sich das im Minifeld konkurrenzlos gute Duo das letzte Rennen im Dauerregen schenken. Viel wichtiger aber ist ihnen und den vielen prominenten Starboot-Crews, die bereits vor Weymouth für ihre olympische Abschiedsgala trainieren, die Hoffnung auf das vielleicht doch noch mögliche Olympia-Comeback der Kielbootklasse, um das sich die Gastgeber der Olympischen Spiele 2016 hinter den Kulissen aktuell bemühen.

Seesegler sahen Rot

Auf der Seebahn sahen die Kieler-Woche-Teilnehmer auf den Big Boats meistens Rot: Jochen Schümanns Profisegler auf der rot-weißen "All4One" gewannen alle Wettfahrten, an denen sie teilnahmen. Das galt auch für den abschließenden Senatspreis am Samstag, als statt Schümann 470er-Olympiastarter Ferdinand Gerz am Steuer stand.

Die Kieler Woche 2013 findet vom 22. bis zum 30. Juni statt. Neuer Orgaisationsleiter ist dann der olympisch erfahrene Mönkeberger Unternehmensberater Peter Ramcke. Sein Ziel: "Ich möchte mit unserem Team von rund 350 größtenteils ehrenamtlichen Mitarbeitern die weltweite Vorrangstellung der Kieler Woche weiter ausbauen."