Lars Bolle
· 20.06.2010
Viel Wind und 30 Wettfahrten am ersten Tag, darauf folgte die große Flaute
Am ersten Tag des Sailing Worldcup glänzten die deutschen Kadersegler mit Top-Resultaten, die für das Gesamtklassement der bis Mittwoch laufenden Serie zu Hoffnungen berechtigen.
Samstag
Bei den 49er-Skiffs zeigten die Vorjahressieger Lennart Briesenick-Pudenz/Morten Massmann (Flensburg), dass ihr Worldcup-Sieg aus dem Vorjahr kein Zufall war. Mit Top-Resultaten in den vier Rennen rangieren sie auf Platz fünf in Schlagdistanz zu den Gesamtführenden John Pink/Rick Peacock (Großbritannien). Noch besser als Briesenick-Pudenz/Massmann sind aber die Kieler Julian Ramm/Oliver Lewin platziert, die mit einem Tagessieg auf Gesamtrang drei rangieren. „Es war schön, endlich mal wieder bei mehr Wind zu agieren. Zuletzt hatten wir eher schwächere Winde, aber rechtzeitig zur Kieler Woche wird das Wetter eben schlechter. Für uns ist es da sehr gut gelaufen", berichtete Lewin, der wie die Flensburger Crew den Zielwettkampf zur EM Anfang Juli in Gdynia/Polen gelegt hat. "Dort gilt es, einen Platz unter den Top 16 zu fahren, um das B-Kader-Kriterium zu erfüllen. Die Kieler Woche ist dafür eine gute Vorbereitung, denn aus den Top 20 der Weltrangliste fehlen nur vier oder fünf Teams", sagte Morten Massmann, der die Titelverteidigung zur Kieler Woche als Ziel formuliert: „Wenn man hier startet, will man auch gewinnen, sonst wäre man ja nicht dabei", so Massmann.
Bestens im Rennen liegen auch die deutschen Starboote. Diesmal führen allerdings nicht die frisch gekürten Europameister Johannes Polgar/Markus Koy (Hamburg) die deutsche Flotte an, sondern das Berliner Team Matthias Miller/Benedikt Wenk auf Rang zwei. Vor ihnen rangiert nur der zweimalige Olympiasieger Robert Scheidt mit Bruno Prada (Brasilien), der dreimal die Kieler Woche im Laser gewonnen hat und nun auf einen Erfolg im Star hofft. „Die Kieler Woche ist ein großartiges Ereignis, und hier zu gewinnen, ist immer schwer. Im Star bin ich zweimal knapp gescheitert. Es ist eben eine sehr harte Regatta auf hohem Niveau." Verfolger Matthias Miller ist bei seiner aktuellen Platzierung sehr zufrieden: „Wir mögen den starken Wind. Daher ist es für uns sehr gut gelaufen." Ausgepumpt war nach den beiden Rennen der derzeit drittplatzierte Johannes Polgar: „Das war nach den schwachen Winden bei der EM echt harte Arbeit." Ein Frühstart, nach dem sie noch einmal neu starten mussten, kostete dem Hamburger Team eine bessere Platzierung. Noch schlechter erging es Johannes Babendererde/Timo Jacobs (Lübeck/Kiel), die nach Rang zwei zum Auftakt das zweite Rennen aufgeben mussten, nachdem sie sich den Mast verbogen und den Vorliek-Strecker der Fock zerrissen hatten. „Das Boot war eine echte Baustelle", so Timo Jacobs.
Top in Form ist auch der Kieler Medizin-Student Simon Grotelüschen, der im Feld der Laser mit der Serie 1, 2, 5 auf Gesamtrang zwei hinter dem überragend agierenden Tom Slingsby (Australien) platziert ist. Für Grotelüschen, der gerade erst bei der EM auf Platz sieben gesegelt ist, eine Bestätigung der derzeit guten Form: „Ich habe das Studium im vergangenen Sommer unterbrochen, um mich konzentriert auf 2012 vorzubereiten. Im Winter haben wir hart trainiert. Bisher haben die guten Ergebnisse zwar etwas auf sich warten lassen, um so schöner, dass es jetzt zur EM geklappt und nun zur Kieler Woche so gut läuft." Der EM-Vierte Philipp Buhl (Sonthofen) rundete das bisher gute deutsche Laser-Ergebnis als Vierter ab.
Bei den paralympischen 2.4 mR liegt Titelverteidiger Heiko Kröger (Hamburg) als Dritter in Lauerstellung, mit zwei Tagessieger hat der Niederländer Thierry Schmitter hier den Bug vorn.
In den anderen Klassen müssen die Deutschen dagegen noch etwas nachlegen. Im Laser liegt Lisa Fasselt (Kiel) als beste Deutsche auf Rang vier, hier führt die Weißrussin Tatiana Drozdovskaya das Feld an. Noch nicht richtig in Fahrt ist auch Surferin Moana Delle (Kiel): „Ich habe zweimal den Start verpatzt, musste einmal sogar einen Kringel drehen. Insgesamt muss ich nach längerer Wettkampfpause erst einmal wieder richtig ins Regattageschehen zurückkommen", so die Titelverteidigerin, die als Achte noch in den Top-Ten liegt. Die Führende Olga Maslivets (Ukraine) ist mit drei Siegen allerdings schon weit enteilt. Ähnlich sieht es bei den Surfmänner aus, wo der Spanier Ivan Pastor mit drei Siegen führt, während sich Toni Wilhelm (Kiel) mit Rang neun begnügen muss.
Nicht ganz den starken Auftakt konnte Jan Kurfeld (Wismar) im Finn fortsetzen. Nach einem Tagessieg rutschte er auf Gesamtrang neun ab. Hier führt Ivan Gaspic (Kroatien) das Feld an.
Erwartungsgemäß ganz vorn sind bei den 470er Mathew Belcher/Malcom Page (Australien) mit makelloser Serie; Morten Bogacki/Jens Steinborn (Düsseldorf) sind als Neunte beste Deutsche. Bei den Frauen haben dagegen die Deutschen Annina Wagner/Marlene Steinherr (Berlin) als Dritte und Kathrin Kadelbach/Friederike Belcher (Berlin) auf Rang vier die Spitze mit Sarah Ayton/Saskia Clark (Großbritannien) bestens im Blick.
Noch uneinheitlich ist das Bild im Match-Race der Damen, wo die einzige deutsche Crew um Silke Hahlbrock (Hamburg) in zwei Rennen einen Sieg und eine Niederlage eingefahren hat und damit für den weiteren Verlauf alles offen lässt.
Sonntag Kontrastprogramm : Lediglich die Surfer sowie die 49er- und 2.4mR-Segler brachten ein paar Rennen über die Bahn. Dafür sorgte die Sonne für Wohlgefühle.
Die Wettfahrtleiter auf den Bahnen hatten einen schwierigen Job zu erledigen. "Am besten wären wir wohl im Hafen gesegelt, da war der Wind gut. Auf den Außenbahnen lief wenig. Die Surfer waren aber schnell auf dem Wasser und haben noch etwas geschafft. In der Innenbahn konnten die 49er immerhin ein Rennen segeln, und die 2.4 segeln ohnehin bei jedem Wetter", sagte der oberste Wettfahrtleiter Jobst Richter.
Die deutschen Surfer kamen nach einem durchwachsenen Start am Sonnabend am zweiten Tag besser in Fahrt. Toni Wilhelm (Kiel) verbuchte einen dritten und einen zweiten Rang und schob sich im Gesamtklassement, das der Franzose Julien Bontemps anführt, auf Platz sechs. Und auch Moana Delle (Kiel) kletterte durch einen dritten Rang nach oben, liegt als Siebte in Lauerposition auf Rang zwei, während die Führende Olga Maslivets (Ukraine) schon einen gehörigen Vorsprung vor der weiteren Flotte hat.
"Ich bin erst seit April wieder richtig auf dem Wasser, da ich vorher meine Magisterarbeit geschrieben habe", berichtete Wilhelm. "Seitdem habe ich viel mit den Franzosen und Griechen gearbeitet. Im Training sah das schon ganz gut aus. Jetzt müssen sich noch die Regatta-Ergebnisse entwickeln. Der Zielwettkampf ist die WM im September in Dänemark. Dann will ich gern einen Top-Ten-Rang als A-Kader-Kriterium einfahren." Surf-Kollegin Moana Delle bekannte, dass es in diesem Jahr angesichts des stark besetzten Feldes schwierig werden wird, den Kieler-Woche-Titel zu verteidigen: "Aber es macht auch Spaß gegen die Top-Leute zu matchen. Der dritte Rang heute war super. Gestern habe ich mich noch etwas schwer getan, um nach dem Training in den vergangenen Wochen auf die Wettkampfsituation umzuschalten. Vor allem beim Starten und den Tonnenmanövern war der Kopf noch nicht wach genug. Nach heute ist diese Phase aber überwunden."
Etwas unausgeschlafen ist dagegen Heiko Kröger im 2.4 mR. Der Vorjahressieger begann zwar mit einem Tagessieg musste dann aber dem Schlafmangel Tribut zollen. Grund ist neben seiner eigenen seglerischen Aktivität seine Organisations-Aufgabe beim neu gegründeten Audi Sailing-Team-Germany. "Wir haben in den vergangenen Nächten viel damit zu tun gehabt, die Boote zu branden", erklärte Kröger, der nach sechs Rennen als Vierter in der Liste geführt wird. Vorn hat sich Megan Pascoe (Großbritannien) etabliert.
Einen Dämpfer gab es auch für die deutschen 49er. Die kräftigen Böen am Sonnabend lagen den Teams deutlich besser. In der schwachen Brise des Sonntags fuhren sowohl die Vorjahressieger Lennart Briesenick-Pudenz/Morten Massmann (Flensburg) als auch die Kieler Lokalmatadore Julian Ramm/Oliver Lewin ihre Streichresultate ein. Als Neunte (Ramm/Lewin) und Zehnte im Gesamtklassement halten sie sich aber die Chance offen, am Mittwoch im Medal-Race der besten Zehn dabei zu sein. Mit ganz anderen Problemen hat derzeit Klassenkollege Tobias Schadewaldt zu kämpfen. Er war bei einer Kenterung im Februar vor Mallorca unter das Boot geraten und konnte sich nur mit Hilfe seines Partner Hannes Baumann befreien. Seitdem segelt er nicht völlig ohne Angst. "Der Puls ist schnell auf 200, unbewusst spielt das Geschehene immer noch mit. Es ist für mich schon schwierig derzeit", sagte Schadewaldt, der auf Rang 26 liegt.
Die übrigen olympischen Klassen konnten gestern nicht segeln. Ein wenig zum Verdruss von Star-Europameister Johannes Polgar (Hamburg), der zuversichtlich in den Tag gestartet war: "Ich habe gut geschlafen und heute ist unser Wind", erklärte er vor dem Auslaufen, nur um später gemeinsam mit Vorschoter Markus Koy tatenlos in den Hafen zurückzukehren. Für Johannes Babendererde/Timo Jacobs (Lübeck/Kiel) ergab sich durch die Segelpause die Chance zum Materialtest. Denn sie hatten sich am Sonnabend nach Problemen mit dem Achterstag den Mast verbogen und mussten in der Nacht einen neuen stellen.
Durch die Zwangspause dürfen sich auch die lange arg gebeutelten 470er-Frauen weiter über ihre Topp-Platzierungen freuen. Annina Wagner/Marlene Steinherr (Berlin) liegen auf Rang drei direkt vor ihren nationalen Konkurrentinnen Kathrin Kadelbach/Friederike Belcher (Berlin). "Nach dem Ausstieg von Ulrike Schümann, mit der ich im vergangenen Jahr Match-Race gesegelt bin, konzentriere ich mich wieder voll auf den 470er", sagte Kadelbach, deren Vorschoterin Friederike Belcher, die sowohl die deutsche als auch die australische Staatsbürgerschaft besitzt, sich für den deutschen Verband entschieden hat. Nach Querelen mit dem australischen Verband in 2008 ist sie nun frei für das deutsche Team. "Ich habe meine Sperrfrist abgesessen. Und es ist für mich die richtige Entscheidung, für Deutschland zu starten. Denn mit Kathrin klappt es einfach perfekt, und solche eine Konstellation gibt es nur selten", sagte Belcher, deren australischer Ehemann im Feld der 470er-Männer führt.
Seebahn Gute Bedingungen herrschten auf der neu eingerichteten Seebahn für die Yacht-Einheitsklassen vor Wendtorf. Hier durften alle sieben Klassen zu zwei Rennen auf die Bahn. Mit Martin Menzner aus Kiel (J80), dem Hamburger Andreas Beckmann (Streamline) und der Geltinger Crew um Michael Schulz (X99) gibt es hier vier deutsche Führende.
Schwierig war das Geschehen dagegen für die Langstrecken-Segler zum Welcome-Race von Kiel nach Eckernförde und wieder zurück. Denn auf der Rückreise blieben die 121 Yachten in der Flaute hängen. Dennoch war die Stimmung gut. "Die Atmosphäre in Eckernförde am Sonnabend war klasse. Die Schiffe lagen in Päckchen an der Pier und die Sehleute und die Seeleute vermischten sich zu einer netten Party", freute sich Eckhard von der Mosel, verantwortlich für die Seesegler auf der Kieler Woche.
Berechnet in der Gruppe der großen ORC-Boote gewann die Hinregatta nach Eckernförde das "Beluga Sailing Team" on Christian Plump (Bremen) vor der neuen X-50 "Bajazzo" von Sven Zoller (Hamburg). Ihrem Namen alle Ehre macht die "Speedy Gonales" von Werner Jensen vom Schilkseer Yacht-Club in der Gruppe ORC II. Von Insidern kaum anders erwartet, trug in der Grupper ORC III/IV die "Froschkönig" von Detlef Amlong (Schwedeneck) den Sieg nach Hause.