Tatjana Pokorny
· 24.06.2016
Die ersten KiWo-Sieger in den Olympiaklassen jubeln schon, die finalen Entscheidungen fallen am "Super Sunday". Leitwolf Buhl vor Heimsieg
Philipp Buhls Bilanz seiner Kieler Woche fällt einen Tag vor dem Finale besser aus, als er es sich vorab vorgestellt hatte. "Es war weniger stressig als gedacht, vieles lief sehr gut. Es ist insgesamt eine sehr gute Kieler Woche für mich." Am Sonntag zieht der Laser-Vizeweltmeister und olympische Hoffnungsträger mit souveränen 17 Punkten Vorsprung vor dem zweitplatzierten Ungarn Jonatan Vadnai ins Medaillenfinale ein. Die Zielsetzung für den Schlussspurt formuliert Buhl wie gewohnt offen, klar und diesem ihm eigenen verschmitzten Lächeln: "Ideal wären ein Nullstart und der Sieg im Finale." Vor allem an seinen Starts hatte Buhl während dieser letzten großen Regatta vor den Olympischen Spielen im Heimatrevier feilen wollen. Auch das ist ihm gelungen. "Ich bin gerade gut bei mir", sagte der 26-jährige Aktivensprecher der deutschen Olympia-Segler in Kiel beim Heimspiel der Nationalmannschaft.
"Du bist ein Freak!"
Der Mann, der dem deutschen Segelsport mit seinen Erfolgen, seinen erfrischenden Auftritten, seiner Unverbogenheit und seiner Fairness so gut tut, dem tut bei der Kieler Woche die Anerkennung als letzter Motivationsschub auf Kurs Rio auch selbst gut. Buhl registriert bewundernde und begeisterte Kommentare – ohne Verlust seiner Bodenhaftung. Er freut sich über Lob und Anerkennung auf seinen Weg nach Brasilien. Denn: "Zweifel sind das Schlimmste, was man mit nach Rio nehmen könnte." Buhl genießt auch Wertschätzung der witzigen Art. Als er am Vorschlusstag einmal mehr mit überragender Geschwindigkeit ins Ziel brettert, zollt ihm danach Teamkamerad Nik Aaron Willim, der selbst am Sonntag als Vierter vor dem Finale noch eine kleine Chance auf einen Podiumsplatz hat, Respekt und ruft: "Du bist ein Freak!" Im Festzelt bleibt am Abend ein britischer Segler bei Buhl stehen, grinst ihn an und sagt: "Wenn wir nachher mal auf den Tracker schauen, wird der für dich wahrscheinlich einen Knoten mehr Speed anzeigen als für alle anderen, oder?" Buhl ist in Kiel in seinem Element und dreht am Ende mit den zunehmenden Winden noch einmal auf. Dieses gute Gefühl will er konservieren und mitnehmen, wenn er am 4. Juli für zehn Tage zu einem letzten Intensiv-Training nach Rio de Janeiro fliegt, bevor für ihn am 8. August der erste Startschuss zu seiner Olympia-Premiere fällt.
Burling/Tuke und Kohlhoff/Werner siegen vorzeitig
Während Buhl am Sonntag seinen vierten Kieler-Woche-Sieg gewinnen will, naht auch für alle anderen Olympiasegler, die Teilnehmer an der Junioren-Weltmeisterschaft der 470er-Segler und an der J70-Europameisterschaft mit 91 teilnehmenden Booten der Showdown. Die Kieler-Woche-Organisatoren erwarten noch einmal ein volles Haus im Olympiazentrum Kiel-Schilksee, durch das schon die ganze Woche Fan-Ströme fließen wie lange nicht mehr. Bereits am Samstag durften die neuseeländischen Überflieger Peter Burling und Blair Tuke über ihren vorzeitigen Kieler-Woche-Sieg und die 3000-Euro-Siegprämie jubeln wie auch die Kieler Lokalmatadoren Paul Kohlhoff und Carolina Werner. Für die KYC-Crew ist es der zweite Sieg nach 2015. Am Sonntag dann ist eine Reihe von weiteren deutschen Kieler-Woche-Siegen zu erwarten. Auch die Paralympics-Segler Heiko Kröger (2.4mR) und die Sonar-Mannschaft um Lasse Klötzing starten als Spitzenreiter in den "Super Sunday". Alle Medaillenrennen werden auf der Großbildleinwand in der Audi Sailing Arena übertragen.
Eine Steuerfrau auf Siegkurs bei der J70-EM
Die Flotte der 91 an der J70-Europameisterschaft teilnehmenden Boote dominiert vor dem Finale weiter eine Steuerfrau mit ihrem Team auf "Petite Terrible". Das seit Jahren eingespielte italienische Team von Claudia Rossi startet mit nur 17 Zählern auf dem Konto und 14 Punkten Vorsprung vor den nächsten Gegnern in die letzten Wettfahrten, die auf Wunsch der Klasse bis zum Schluss in zwei Gruppen ausgetragen werden. Rossi hatte das Boot von ihrem Vater zum Schulabschluss geschenkt bekommen und segelt die J70 seitdem mit zunehmendem Erfolg. Viele andere Teams hatten am Vorschlusstag Federn lassen müssen, als es im ersten Tagesrennen Dutzende Frühstart-Disqualifikationen gehagelt hatte.