Tatjana Pokorny
· 19.06.2018
Die Baltic Pre-Worlds sind abgeschlossen. Für die deutsche Seesegelflotte geht es bald zur Weltmeisterschaft in die Niederlande
Mit einem spannenden letzten Regattatag haben die deutschen Seesegler ihre Vorbereitung für die Weltmeisterschaft in drei Wochen in den Niederlanden bei der Kieler Woche abgeschlossen. Die Mannschaften haben sich bestmöglich vorbereitet. Bei den Baltic Pre-Worlds auf der Bahn Alpha zeigten bei der Kieler Woche in den beiden Klassen vor allem zwei Schwesterschiffe ihr Leistungspotenzial.
Während in der Gruppe der großen Yachten die "Halbtrocken 4.0" die zweitplatzierte Verfolgerin "Tutima" mit Skipperin Kirsten Harmstorf-Schönwitz, Torsten Bastiansens "Sydbank" und Max Gurgels "X-Day" dominierte, gaben bei den kleinen Schiffen die Italia 9.98 "OneSpirit" und "Immac Fram" den Ton an. In der Einheitsklasse der ClubSwan 50 war die Crew vom Norddeutschen Regatta Verein in Hamburg mit Hendrik Brandis mit sieben Siegen in sieben Wettfahrten nicht zu bremsen.
Michael Berghorns Crew auf der "Halbtrocken 4.0" vom Kieler Yacht-Club und ihre Verfolger haben sich enge Duelle in Serie geliefert. Am Ende stand ein auf dem Papier deutlicher 10-Punkte-Vorsprung vor den nächsten beiden Yachten für Berghorn, in der Wirklichkeit aber hatten sich packende Kämpfe auf der Bahn abgespielt. "Es waren harte Gegner, die besten, die wir haben konnten. Die Ergebnisliste sieht eindeutiger aus, als die Rennen waren. Es war eine gute Vorbereitung für die WM", so Berghorn.
Pech hatte die "Tutima"-Crew zunächst, als sie in der siebten Wettfahrt – deutlich führend – einem Gate näherte. Kirsten Harmstorf-Schönwitz erklärt: "Dort lag ein Schlauchboot – noch allerdings ohne die Flagge 'M' zu zeigen, was eine Ersatz-Bahnmarke kennzeichnet. Für uns galt das Schlauchboot also nicht als Bahnmarke. Somit haben wir gemäß Segelanweisung die andere Tonne an Backbord gerundet." Für die folgenden Boote wurde jedoch "M" angezeigt. "Da sind wir dann wieder umgedreht und haben noch einmal neu gerundet", erklärt die Skipperin. Später stellte die "Tutima"-Crew zu dem Vorfall einen Antrag auf Wiedergutmachung, dem stattgegeben wurde. Damit rückte das Frauen-Team auf Rang zwei vor. "Wir sind mit unserer KiWo-Leistung voll zufrieden", so die Hamburgerin, "die Crew hat drei Tage gekämpft ohne Ende, und wir sind bei 20 und mehr Knoten immer sauber über den Parcours gesegelt. Insofern sind wir bestens auf die WM vorbereitet."
Dem Saisonhöhepunkt sehen die deutschen Mannschaften und auch Berghorn optimistisch entgegen: "Wir haben uns im Laufe der Serie immer besser eingespielt. Das gibt einen breiten Rücken für die WM." Auf das Tidenrevier vor Scheveningen ist die Mannschaft durch die Teilnahme an der Nordseewoche zu Pfingsten zwar ebenfalls gut vorbereitet. Dennoch will sich Berghorn in der konkreten WM-Vorbereitung noch einen "Local" an Bord holen, um die Tücken des Reviers besser ausloten zu können. "Die Langstrecken-Regatta wird sicherlich spannend."
Das sieht auch Kai Mares von der "Immac Fram" so. "Die Offshore-Regatta ist ein Knackpunkt zur WM. Wir werden uns vorher ein paar Tage Zeit nehmen, um die Tücken zu erkunden." Vor Kiel gab es zum Abschluss einen kleinen Dämpfer für Mares und Crew, denn am letzten Tag geriet die "Immac Fram" noch vom Siegkurs ab. "Wir sind mit einem Sieg gut in den Tag gestartet. Platz vier im zweiten Rennen war okay. Leider hatten wir dann im letzten Rennen einen Schaden am Spi-Baum, den wir auf der Kreuz reparieren mussten. Das hat uns sicherlich Performance gekostet." Platz sieben zum Abschluss bedeutete Rang zwei im Gesamtklassement. "Die Konkurrenz war gut, deshalb ist auch der zweite Platz nicht schlecht. Wichtig ist, dass die Leistung stimmt", so Mares, der noch auf dem Steg Gordon Nickel, Skipper der "OneSpirit", zum Sieg gratulierte.
JOCHEN SCHÜMANN VORAB AN BORD
Insgesamt lagen sich Sieger und Besiegte, Trainingspartner für diese Saison, in den Armen und klatschten sich ab. Gordon Nickel atmete kräftig durch: "Da war viel los heute auf der Bahn. Im zweiten Rennen haben wir uns nach einer Patenthalse auf die Nase gelegt, sind aber schnell wieder hochgekommen. In der dritten Wettfahrt hatten wir einen guten Start und konnten mit hohem Bootsspeed unser Ding fahren." Dieses Gefühl wollen die deutschen Segler nun mit zur Weltmeisterschaft zu nehmen. "Was dann dabei herauskommt, ist schwer zu sagen. Dafür ist das Feld in unserer Gruppe zu groß." Im Vorfeld der Up-and-Down-Wettfahrten hatte Deutschlands erfolgreichster Segler Jochen Schümann die Nickel-Crew direkt an Bord trainiert, war zu den Wettfahrten aber von Bord gegangen. "Ich hatte das Gefühl, dass wir dann ein bisschen befreiter gesegelt sind. Mit Jochen an Bord war schon Nervosität in der Mannschaft zu spüren", so Nickel.
Mit etwas gemischten Gefühlen wurden die Yacht-Felder zur Kieler Woche von den Verantwortlichen des Seesegelns in Deutschland beobachtet. Während die kleinen Yachten ein gutes Feld am Start hatten, fehlte es bei den großen an der Masse. "Das war schon enttäuschend", so Berghorn. Wolfgang Schäfer, Vorsitzender des Seesegel-Ausschusses im DSV, sieht dafür vor allem einen Grund: "Die guten Mannschaften sind zu weit weg, sodass die Teams aus der zweiten Reihe in ORC Club abwandern." Bertil Balser, Vorsitzender der Regattavereinigung Seesegeln, sieht daher Handlungsbedarf: "In den vergangenen Jahren wurde an diversen Stellen vieles schleifen gelassen. Das müssen wir jetzt aufarbeiten. Aber es ist natürlich schwer, bei der langen Küstenlinie in Deutschland – von Greifswald bis nach Helgoland – alle unter einen Hut zu bekommen. Ich denke, die Kieler Woche war schon ein guter Schritt."