Tatjana Pokorny
· 16.06.2012
Gegen die drohende Langeweile im schwach besetzten olympischen Teil der Kieler Woche wirkt das Grotelüschen-Buhl-Duell wie ein Wundermittel
Sie hatten schon 2011 den Publikumsknüller der Kieler Woche serviert und sie tun es wieder: Gegen die drohende Langeweile in der äußerst schwach besetzten ersten olympischen Hälfte der Kieler Woche wirkt das Laserduell zwischen Olympia-Hoffnungsträger Simon Grotelüschen aus Lübeck und seinem Sparring-Partner Philipp Buhl wie ein Patentrezept für hochwertigen Spitzensport. Die meisten Fan-Augen in Kiel und an den Bildschirmen im Internet sind auf den Kampf der beiden Laser-Aufsteiger gerichtet, die nach dem zweiten von fünf Regattatagen und fünf Wettfahrten punktgleich an der Spitze des Feldes liegen.
Nachdem zum Auftakt zunächst Philipp Buhl die Führung im Feld der 73 Starter aus 20 Nationen übernommen hatte, kehrte am Sonntag Simon Grotelüschen mit hoch gestrecktem Daumen von Bahn Echo ins Olympiazentrum Kiel-Schilksee zurück. Sein Konter in stürmischen Winden um vier Beaufort konnte sich sehen lassen: Mit zwei Wettfahrtsiegen setzte sich der 25-Jährige an die Spitze - punktgleich mit Buhl.
Ben Ainslie lobt deutsche Lasersegler
Simon Grotelüschen bezeichnet die Duell-Situation mit seinem Trainingspartner Philipp Buhl als "absoluten Glücksfall für uns beide". "Die Zusammenarbeit mit Philipp ist für mich sehr, sehr wertvoll", so der Steuermann vom Lübecker Yacht-Club, "wenn ich dicht bei Philipp bin, dann weiß ich, dass ich richtig liege. Umgekehrt gilt das natürlich aus." Die Partnerschaft sei auch deshalb so wertvoll, weil sie unterschiedliche Segelstile repräsentieren. Grotelüschen erklärt: «In der Vergangenheit suchte Philipp eher das Risiko, während ich eher konservativ in Regatten gegangen bin. Inzwischen haben wir beide voneinander gelernt. Philipp segelt ergebnisorientierter, ich gehe auch mal mit kalkuliertem Risiko in eine Wettfahrt." Lob gab es für die beiden deutschen Aufsteiger jüngst aus dem Munde des dreimaligen Olympiasiegers Ben Ainslie, der seine erste olympische Silbermedaille vor zwölf Jahren in Sydney gewann und vier Jahre später Gold holte: "Ich kenne Simon und Philipp nicht persönlich, aber ich habe in letzter Zeit einiges von ihnen gehört. Es ist perfekt, dass sie miteinander auf hohem Niveau trainieren und segeln können. Genau so funktioniert es bei uns im Team GBR seit längerer Zeit sehr, sehr gut und erfolgreich. Wir haben alleine im Finn Dinghi eine Handvoll Weltklasse-Leute, die sich gegenseitig stark machen. Davon profitiere auch ich."
Olympiajahr fordert Tribut von der Kieler Woche
In anderen olympischen Klassen dagegen fehlt es vor Kiel an Spannung. Mangels Masse wird in nur sechs von zehn Olympia-Disziplinen um Kieler-Woche-Siege gekämpft. Die Felder sind - beispielsweise mit zwölf Booten bei den 470er-Frauen - erschreckend überschaubar. Insgesamt segeln nur 242 Boote mit 332 Seglerinnen und Seglern in der ersten olympischen Hälfte der Kieler Woche. Die namhaften Olympiakandidaten trainieren bereits im Olympiarevier vor Weymouth, während ein Teil der deutschen Segelnationalmannschaft beim Heimspiel noch Regattapraxis sammelt.
Die deutschen Olympia-Hoffnungsträger Tobias Schadewaldt und Hannes Baumann aus Kiel segeln noch auf Formsuche, rückten aber nach missglücktem Auftakt mit guten Leistungen am zweiten Tag auf Platz drei vor. Olympiastarterin Franziska Goltz aus Kiel übernahm die Führung im Laser Radial. Die VSaW-Crew Annika Bochmann/Elisabeth Panuschka teilt sich nach fünf Rennen die Führung im 470er punktgleich mit Tina Lutz und Susann Beucke. Das in der nationalen Olympiaqualifikation knapp unterlegene 470er-Duo Lutz/Beucke kündigte noch während der Kieler Woche seinen bevorstehenden Umstieg in die neue Olympia-Disziplin 29erXX an. "Das Boot ist für uns sehr interessant und macht Spaß zu segeln", sagte die Kielerin Susann Beucke, "wir halten uns aber die finale Entscheidung über unsere Bootswahl vorerst offen, können ja jederzeit zurück in den 470er."
Rasende "Big Boats" hängen Seebahnchef ab
Noch stürmischer als für die Jollen vor Kiel-Schilksee ging es am Sonntag auf der Seebahn zu. Seebahnchef Eckard von der Mosel berichtete: "Es ging schon beim Start unter Spinnaker in fünf bis sechs Windstärken mit den ersten Sonnenschießern furios zur Sache. Da kam richtig Spannung in die Flotte. Und dann schossen zwei Yachten aus dem Feld raus - das muss man mal erlebt haben: Die beiden 50-Füßer "Varuna" und "Info AG - Info CS" waren mit 20, 22 Knoten so schnell, dass ich mit meinem Motorboot nicht mehr hinterher kam..." Die Mittelstrecke Kiel-Eckernförde gewann in ORC Club I (rot) die Hamburger Kerr 51 «Varuna» von Jens Kellinghusen vor Ulrich Münkers Kieler J 125 «Needles & Pins» und der TP52 «Info AG - Info CS» mit Segelprofi Tim Kröger. In ORC Club I (grün) siegte Claus Bresslers Swan 56R "Chrila" vor Sören Zopfs Nissen 55 "Peter von Danzig" und Tim Tröbers Swan 60R "Highland Fling". In ORC Club II war Martin Lutz' Bavaria 38 Match "Lutzifer" berechnet nach 21 Seemeilen die schnellste Yacht. In ORC III gewann Jens Findels Grand Surprise "Sprizz" vom Kieler Yacht-Club.