Jan Zier
· 11.05.2022
Der langjährige Macher der Wassersportmesse in Friedrichshafen, Dirk Kreidenweiß, hat nach 22 Jahren überraschend gekündigt. Dabei steht die Interboot gut da
Nach 22 Jahren bei der Messe Friedrichshafen wird Dirk Kreidenweiß auf der 61. Interboot fehlen. Der erfolgreiche Projektleiter verlässt das Unternehmen Ende Juni auf eigenen Wunsch. Die Messegesellschaft bestätigte einen entsprechenden Bericht in den Regionalmedien. Die Wassersportmesse am Bodensee wird aber wie geplant vom 17. bis 25. September stattfinden – und vermutlich sogar mit starkem Programm.
Die Top-Personalie kommt für Insider nicht völlig überraschend. Vor Kreidenweiß hatte bereits Rolf Hofer gekündigt, der Projektleiter der Lifestyle-Messe IBO. Zudem ging der langjährige Pressesprecher Wolfgang Köhle im Herbst vorzeitig in den Ruhestand. Die Personaldecke wurde in den vergangenen Jahren massiv ausgedünnt. Die Fluktuation sei so hoch wie nie, sagte der Betriebsrat dem „Südkurier“ und beklagt eine „schlechte Stimmung“.
Kreidenweiß geht, ohne schon einen neuen Job zu haben. Er hatte bei der Interboot „eine tolle Zeit“, sagte er gegenüber der YACHT. „Und ich brenne nach wie vor für das Thema Messe.“ Weiter mochte er seinen Weggang nicht kommentieren, der zumindest kurz- bis mittelfristig eine erhebliche Lücke reißt.
Der Mann, der dort jetzt wohl übernehmen muss, ist schon an Bord. Er hat seinen neuen Job angetreten, als Kreidenweiß, der ihn selbst mit ausgewählt hatte, seine Kündigung einreichte. Er heißt Felix Klarmann, ist 38 Jahre alt und hat in Köln an der Sporthochschule studiert. Unklar ist noch, in welcher Position er künftig tätig wird – ob er nahtlos die Projektleitung übertragen bekommt oder sich zunächst als Sachbearbeiter bewähren muss. Branchenerfahrung und ein Netzwerk bringt er nach YACHT-Informationen nicht mit.
Offiziell ist die Personalie ohnehin noch nicht: „Wir befinden uns aktuell in der Findungsphase eines Nachfolgers, und vielversprechende Gespräche dazu laufen“, sagte Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messegesellschaft in Friedrichshafen, in einem Statement. Eine Interviewanfrage ließ er heute unbeantwortet.
Hört man sich in der Branche und unter den Ausstellern um, so sind viele „sehr überrascht“ von Dirk Kreidenweiß' Rückzug. „Mit ihm verliert die Interboot sehr viel Knowhow. Das zu ersetzen wird schwierig“, sagt Vinzenz Batt, Geschäftsführer des Schweizerischer Bootbauer-Verbands. „Wir hoffen sehr, dass es weitergeht. Denn für uns ist das eine wichtige Messe.“
Andere machen sich weniger Sorgen, Patricia Reuthe etwa von der Meichle + Mohr Marina Ultramarin am Bodensee: Es sei zwar „sehr schade“, dass Kreidenweiß gekündigt habe, denn sie habe immer „sehr gut“ mit ihm zusammengearbeitet. Reuthe: „Er war das Gesicht der Interboot.“ Doch um die Zukunft der Messe bangt sie nicht: „So dramatisch würde ich das jetzt nicht sehen.“
Ähnliches hört man bei Yachten Meltl, die in Süddeutschland unter anderem die Yachten von Bavaria und Dufour vertreiben: „Wir machen uns um die Interboot kein Sorgen.“ Im Herbst will man wieder dabei sein: „Wir kommen sehr gern als Aussteller, für uns lohnt sich das schon.“ Die Interboot habe auch in Zeiten der Pandemie ein „super Publikum“ gehabt.
Immer wieder wird Kreidenweiß für die Qualität seiner Arbeit gelobt, bei Ultramarin und Yachten Meltl, aber auch von Karsten Stahlhut, dem Geschäftsführer des Bundesverbandes der Wassersportwirtschaft (BVWW):
„Für die Branche ist das sicher keine gute Nachricht. Dirk Kreidenweiß hat über Jahre einen sehr guten Job gemacht und durch seine authentische, sympathische und professionelle Art zu vielen Händlern ein sehr hohes Maß an Vertrauen aufgebaut. Ich hoffe, die Lücke kann gut gefüllt werden.“
Und wie sieht der Branchenverband die Zukunft der Interboot? „Dem Markt geht es überwiegend gut, wir haben nach wie vor viele Neueinsteiger. Und die Aussteller brauchen die Messe als Plattform, daher mache ich mir fachlich und inhaltlich keine Sorgen. Dass ein sehr erfolgreicher Projektleiter einer Messe geht, ist ja kein Novum“, so Stahlhut, der in dem Wechsel zwar „ein gewisses Risiko“, aber auch „eine Chance für neue, kreative Ideen“ sieht.
Petros Michelidakis, Direktor der boot Düsseldorf, bedauert den Weggang. „Das ist sehr, sehr schade“, sagte er gegenüber der YACHT, und fügte hinzu, dass dies „schon ein einschneidender Moment“ für die Interboot sei. Dirk Kreidenweiß habe sich durch sehr hohe Fachkompetenz ausgezeichnet und durch die Fähigkeit, Kunden langfristig an die Messe zu binden. Außerdem sei er „ein super Typ“, der ihm fehlen werde.
Ähnlich wie BVWW-Chef Stahlhut betonte Petros Michelidakis die Bedeutung der Interboot als eine professionelle Plattform, bei der es für den Wassersport darum gehe, neue Kunden zu gewinnen und bestehende zu aktivieren. „Viele kleine Familienbetriebe sind auf die Umsätze, die sie während einer Messe machen, angewiesen. Sie können diese nicht ohne Weiteres anderweitig kompensieren.“
Die Interboot war die einzige Wassersportmesse in Deutschland, die auch während der Pandemie jedes Jahr stattfand. 2021 kamen 45.600 Besucher, im Jahr zuvor waren es 29.300 gewesen; 280 Aussteller aus 13 Nationen füllten im vergangenen Jahr die sechs Hallen, Foyers und das Freigelände.
Der Charakter der Messe hat sich in den vergangenen Jahren jedoch gewandelt. War sie früher eine Messe der Hersteller und Importeure, so ist sie heute vor allem eine Messe der Händler – und als solche vor allem regional sehr bedeutsam. Zugleich erwies sie sich als beständiger als etwa die Hanseboot in Hamburg, die 2017 nach fast 60 Jahren das letzte Mal stattfand.
Die Interboot steht hingegen gut da. Als Teil der Messe Friedrichshafen GmbH ist sie heute sogar fast noch wichtiger denn je: Sie ist ein echter Umsatzbringer, auch für die Region, und eine der wenigen Traditionsveranstaltungen am Bodensee. Dieses Jahr wird sie zum 61. Mal ununterbrochen stattfinden. Und die Buchungslage ist gut: Die „Schweizer Halle“ ist nach YACHT-Informationen bereits ausgebucht, die Surfhalle zu 85 Prozent. Insgesamt soll das Auftragsvolumen über dem Vorjahresniveau liegen.