Jochen Rieker
· 23.05.2022
Am vergangenen Wochenende war Neustadt an der Ostsee für drei Tage Zentrum des Yachtsports – spannende Premieren und große Kauflust prägten die In-Water-Messe
Frischer Wind, weiß-blauer Himmel, nur Samstagvormittag ein paar ergiebige Schauer: Das Wetter meinte es gut mit den Veranstaltern. Und weil das die große Unbekannte bei In-Water-Bootsmessen ist, fällt die Bilanz des Hamburg Ancora Yachtfestivals selten positiv aus. Veranstaltungschef Heiko Zimmermann schätzt die Zahl der Besucher auf 18.000 – ein deutliches Plus gegenüber der letzten Messe hier vor der Pandemie.
Einige Werften und Händler hatten es leider nicht geschafft, ihre Boote rechtzeitig zum Hamburg Ancora Yachtfestival zu bringen. So blieben an den Stegen vereinzelt Boxen leer. Dennoch hatte die Messe erstmals den Charakter einer echten Premieren-Show. Viele Yachten wie die Solaris 40, die Linjett 39, X-Yachts überarbeitete X 4.3 Mark II, Oysters eben erst vorgestellte 495 oder die Comfortina 43 waren zuvor noch nie in Deutschland zu sehen.
Die Fülle der Neuheiten, aber auch die Breite des Angebots sorgten für regen Andrang. An einigen Stegen war schon Freitagmittag, sonst eher schwach besucht, kaum ein Durchkommen mehr.
Ein anderes, indirektes Indiz für die Attraktion des Yachtfestivals war die Nachfrage nach Parkplätzen: Die nächstgelegenen Abstellflächen waren rasch voll, was bei einem Pauschalpreis von zehn Euro teils für Unmut sorgte. Auch die Verkehrsführung im Einbahnstraßenverkehr war nicht klar genug ausgeschildert. Es blieben jedoch die einzigen Kritikpunkte, und der Bürgermeister von Neustadt hat bereits Besserung fürs kommende Jahr gelobt.
Dann wird die Messe wohl wieder gut gebucht sein. Das jedenfalls lassen die ersten Rückmeldungen der Aussteller erwarten, die YACHT online heute recherchiert hat. Magnus Rassy, sonst kein Mann von großen Worten, brachte es so auf den Punkt: "Dass die Segler Lust auf eine Bootsmesse haben, klar – das haben wir erwartet. Aber mit einem solchen Kaufinteresse hätten wir nicht gerechnet." Für mehrere Modelle bis hin zur neuen HR 50 schrieben die Schweden Aufträge direkt auf dem Yachtfestival – "darunter Neukunden", berichtete Magnus Rassy, "mit denen wir noch nie zuvor Kontakt hatten." Obwohl die deutsche Niederlassung ihren Sitz direkt in Neustadt hat und folglich das ganze Jahr über Besichtigungen anbieten kann, war die Messe für Hallberg-Rassy "ein voller Erfolg".
Ben Vaes von Solaris Yachts zeigte sich ebenfalls höchst zufrieden: "Die Messe ist für uns super gut gelaufen, wir hatten jeden Tag sehr viele Interessierte. Das Yachtfestival ist für uns die perfekte Gelegenheit, auch hier an der Ostsee Flagge zu zeigen. Insbesondere war es eine gute Plattform, um unsere neue Solaris 40 einem breiteren Publikum vorzustellen. Wegen der Pandemie waren uns dafür bisher nur wenige Möglichkeiten geboten. So viel ist für uns klar: Wir kommen nächstes Jahr definitiv wieder!"
Maxim Neumann, Vertriebschef der Hanseyachts-Gruppe, registrierte über das gesamte Marken-Portfolio Nachfrage. Er sagte gegenüber der YACHT: "Die Messe war sehr gut! Wir haben drei Motorboote verkauft, bei Hanse lief es, bei Dehler ebenfalls, da sind wir noch in einigen Nach-Messe-Gesprächen."
Michael Schmidt, Inhaber von Michael Schmidt Yachtbau/Y Yachts, ließ eigens eine Y7 von Greifswald nach Neustadt überführen. Mit 22 Metern war sie der größte Segler der Show und am Kopf des Premierenstegs prominent platziert. Schmidt gefiel die In-Water-Boatshow: "Es ist schön, dass es so eine Messe gibt. Es war für die Besucher sicherlich interessant, auch mal ein Boot zu sehen, das nicht typisch für Neustadt ist. Aber es gab auch tatsächlich Interessierte, die jetzt die Werft besuchen und in dieser Größe denken. Insofern schön für uns und die Messe."
Christian Daum, mit Bente Yacht vom anderen Ende des ausgestellten Größen-Spektrums meinte: "Die Messe war sehr gut besucht. Viele ernsthafte Interessenten waren vor Ort. Die Besucherqualität war hervorragend. Im Grunde genommen waren bei uns am Boot keine Wandertouristen. Verkäufe haben auch stattgefunden. Die gesamte Atmosphäre der Messe war toll. Die Anzahl und Vielfalt der Aussteller war gut ausgewählt. Auch wenn ein paar Boote gefehlt haben, weil sie nicht fertig waren oder verkauft waren im Vorfeld, war das Angebot der ausgestellten Boote vielfältig. Bei uns am Stand waren auch einige Bestandskunden die von derBente 24 auf die neue Bente 28 wechseln wollen."
Auch Ausrüster und Technik-Anbieter zogen ein überwiegend sehr positives Fazit. Lasse Hochfeldt etwa von Flin Solar, einem innovativen Hersteller von Solarpaneelen, fand das Yachtfestival "rundum genial!".
"Die Messe hat sich für uns sehr gelohnt. Wir haben sehr viele Angebote geschrieben, bei vielen davon wird es zum Kauf kommen. Das Thema Solarstrom interessiert viele Segler; vielleicht ist unabhängige Energieversorgung wegen vermehrtem Boatoffice auch wieder spannender geworden. Unser System ist da sehr einfach und kommt bei den Seglern gut an. Unser Stand auf dem Katamaran war sehr gut besucht, und wir kommen nächstes Jahr auf jeden Fall wieder."
Christoph Steinkuhl von Deutschlands ältestem Schiffsausrüster A.W. Niemayer war gleichermaßen angetan. Er sprach von einer "sensationellen Veranstaltung", lobte die "Top-Organisation" und zeigte sich "überwältigt von der Zahl der vorab über die Wwebsite gebuchten Probefahrt-Termine" der von awn vertriebenen OceanBay-Motorboote.
Die Stimmung in Neustadt fand Steinkuhl "gelöst, locker, sogar euphorisch". Man habe gesprüt, dass "die Branche und vor allem die Kunden dem Event entgegengesehnt haben". Das schlechte Wetter am Samstagvormittag hab die Stimmung nicht getrübt. "Die Besucher haben sich darauf eingestellt."
Und für alle, die segeln waren oder aus anderen Gründen nicht dabei sein konnten, hier das YACHT-tv-Video über einige der spannendsten Neuheiten: