Hauke Schmidt
· 05.12.2024
Die neuen Vorschriften wurden bereits im August 2021 durch die „Verordnung zur Neuordnung nationaler untergesetzlicher Vorschriften für Biozid-Produkte“ angekündigt und umfassen ein ganzes Paket von Maßnahmen, die den Verkauf von biozidhaltigen Produkten erschweren.
Die kritischen Punkte sind Paragraphen 10 bis 13. Sie betreffen das Verbot der Selbstbedienung. Dort werden Antifouling-Produkte für den Einsatz an Wasserfahrzeugen genannt, aber auch Biozide zum Schutz von Baumaterialien. Das dürfte zum Beispiel das bei Teakdeck-Eignern beliebte Boracol betreffen.
Diese Maßnahmen gelten sowohl im stationären Handel als auch online, wobei im Onlinehandel das Abgabegespräch per Telefon oder Videochat erfolgen soll und der Formulierung nach vom Händler auch nachgewiesen werden muss. Das Antifouling mal eben am Sonntagabend in den Warenkorb legen und zwei Tage später malen können, dürfte damit kaum noch möglich sein.
Das Hauptproblem der Verordnung ist, dass der Wortlaut sehr wenig über die Umsetzung verrät. Zudem tappen scheinbar auch die zuständigen Behörden im Dunkeln. Das stellt den Handel vor enorme Herausforderungen. „Ich habe dem Bremer Gewerbeaufsichtsamt Anfang des Jahres einen Katalog mit 20 Fragen geschickt, davon wurden gerade einmal fünf beantwortet“, so SVB-Geschäftsführer Thomas Stamann..
Knackpunkte sind beispielsweise der Bedarfsnachweis, hier schlägt das Bremer Gewerbeaufsichtsamt die Vorlage des Sportbootführerscheins vor. Dabei qualifiziert der Besitz eines Führerscheins weder zur Verarbeitung von Bioziden noch taugt er als Nachweis für den Unterhalt einer Yacht, zumal bis zu einer Motorisierung von 15 PS gar kein Führerschein nötig ist. Man kann also auch ohne den Lappen Bedarf an Antifouling haben.
Ein Problem, das vor allem im Onlinehandel zum Tragen kommt, ist das verpflichtende Abgabegespräch. Dessen Inhalte sind zwar umrissen, nicht aber die Umsetzung. „An einem langen Frühjahrswochenende gehen in unserem Onlineshop rund 3500 Aufträge ein, ein Drittel davon enthält Antifouling-Produkte. Wir müssten am Montag also mehr als 1000 Telefonate oder Videochats führen. Das ist völlig undenkbar“, so Stamann. „Den Einsatz eines KI-basierten Avatars lehnte die Behörde mit Verweis auf die nötige Sachkundeschulung des Avatars ab, daher werden wir jetzt eine Art Lehrvideo drehen, das jeder Kunde beim Kauf ansehen muss“, so Stamann weiter. Risiko dabei: Ob die Lösung der Verordnung genügt, ist nicht klar und muss im Zweifel später vor Gericht geklärt werden.
Mit ähnlichen Problemen kämpft auch das Bauhaus, mit gut 50 Nautic-Fachcentern und Onlineshop einer der größten Flächenversorger. Die Filialen werden bereits so umgebaut, dass die Antifoulingdosen in einer verschlossenen Vitrine stehen, außerdem wurden die Mitarbeiter entsprechend geschult. Die Frage nach dem Berechtigungsnachweis ist aber auch nicht abschließend geklärt. Zudem wird der Online-Kauf von Biozidprodukten nur noch während der Öffnungszeiten möglich sein, da das Abgabegespräch per Videochat mit einem Mitarbeiter mit Sachkundenachweis durchgeführt werden soll.
Auch Beschlagshersteller und Antifouling-Großhändler Sprenger berichtet von großen Unsicherheiten bei seinen Kunden. Längst nicht jeder Shop hat die nötigen Schulungen und Umstrukturierungen im Verkauf schon umgesetzt.
Dass die Kunden ab dem 1. Januar vor leeren Regalen stehen, ist bei Antifouling eher unwahrscheinlich. Der Bedarf und das Handelsvolumen sind so groß, dass der Handel alles daran setzt, auch biozidhaltige Produkte weiter verkaufen zu können. Es ist aber jetzt schon eine Konzentration auf den Fachhandel abzusehen. Onlineriese Amazon beispielsweise zieht sich aus dem Verkauf von biozidhaltigen Antifoulings zum Jahresbeginn zurück. Anbieter wie Compass und SVB propagieren Hamsterkäufe, sprich die Kunden sollen noch vor Inkrafttreten der Verordnung so viel Farbe kaufen, dass es für die nächsten zwei bis drei Jahre reicht. In dieser Übergangszeit sollten sich die neuen Verkaufswege eingeschliffen haben. Zudem nimmt das Angebot der biozidfreien Bewuchsschutzsysteme stetig zu und es besteht die Hoffnung, dass sie so leistungsfähig werden, dass sie auch in Salzwasserrevieren eine gute Alternative sind. Für Binnenreviere sind sie es schon heute.