Hobbyangler Bernd Zimmermann traute seinen Augen kaum, als am Montag ein riesiger Meeressäuger neben seinem kleinen Angelboot auftauchte. “Ich fahre gern weit raus zum Angeln und war nahe dem Verkehrstrennungsgebiet nördlich von Rügen, als ich ihn ausblasen hörte. Der Wal tauchte neben meinem Boot auf und blieb bestimmt 20 Minuten in meiner Nähe,” berichtet der Lübecker, noch hörbar bewegt von der ungewöhnlichen Begegnung. “Einmal sah ich seinen Blas dicht neben mir und wusste, dass der Rest des Tieres direkt unter meinem Boot ist - da blieb mir für einen Moment die Luft weg!”
Schließlich sei der Wal gen Bornholm davongeschwommen, “in der spiegelglatten See ein beinahe mystischer Anblick,” schwärmt Zimmermann. Eigentlich habe er diese einmalige Begegnung vollständig filmen wollen, “in der Aufregung habe ich aber vergessen, die Aufnahme zu starten!” erklärt er. Nur ein paar schnelle Aufnahmen gelangen ihm. Diese seltene Sichtung in der Ostsee sorgt für Aufsehen, da Buckelwale normalerweise in den Weltmeeren zuhause sind und nur selten in die flacheren Gewässer der Ostsee vordringen.
„Wie groß das Tier ist, kann ich nicht sehen auf den Bildern. Was ich aber gesehen habe, ist, dass das noch ein sehr, sehr junger Wal ist. Auch an der Kopfform und an dem Abstand vom Kopf zur Finne,“ erläutert Prof. Dr. Judith Denkinger, Kuratorin für Meeressäuger beim Deutschen Meeresmuseum in Stralsund. Sie bestätigt, dass es sich bei dem Jungtier um einen Buckelwal handelt. Spekulationen in den Medien, dass es derselbe junge Wal sein könnte, der im Februar in Polen in ein Fischernetz geraten war, kann sie aus traurigem Grund dementieren: jener Wal sei bei Dänemark gestrandet und seziert worden. „Die Ostsee ist leider so etwas wie eine Todesfalle für die Großwale.“
Buckelwale sind in der Ostsee keine heimischen Bewohner. Sie verirren sich nur gelegentlich in diese Gewässer, vermutlich wenn sie auf ihren Wanderungen die Orientierung verlieren. Normalerweise leben die bis zu 15 Meter langen und 30 Tonnen schweren Meeressäuger in den offenen Ozeanen. Laut WWF gibt es weltweit über 65.000 Buckelwale mit Populationen im Nordatlantik, Nordpazifik und auf der Südhalbkugel. Die Gründe für das Auftauchen von Walen in der Ostsee sind nicht immer klar. Oft hängt es mit der Nahrungssuche zusammen, etwa wenn Fischschwärme aufgrund von Stürmen von ihren üblichen Routen abweichen. Auch das vor Hiddensee gesichtete Jungtier ist vermutlich bei der Wanderung von den wärmeren Breiten, etwa den Azoren oder der Karibik in die Arktis, versehentlich in die Ostsee geraten.
Die Begegnung vor Hiddensee ist nicht die einzige bemerkenswerte Walsichtung in der Ostsee in jüngster Zeit. 2016 hielt sich ein junger Buckelwal gleich über Monate im Greifswalder Bodden auf und kollidierte dabei sogar mit einer Segelyacht. Im April 2024 verirrte sich ein großer Meeressäuger nach Kiel und Glückstadt. Im Øresund, der Meerenge zwischen Dänemark und Schweden, wurde am 8. September 2024 ebenfalls ein Buckelwal gefilmt. Jens Peder Jeppesen, Leiter des Øresund-Aquariums und Meeresbiologe, betonte die Einzigartigkeit dieses Fahrwassers: „Der Øresund überrascht uns immer wieder und wir können gar nicht oft genug sagen, wie einzigartig dieses Fahrwasser zwischen Schweden und Dänemark ist." Auch in der Flensburger Förde sorgten am Freitag, den 8. September 2024, zwei Buckelwale für Aufsehen. Sie verirrten sich sogar bis in den Glücksburger Sporthafen, wo Segellehrer Jan Philip Leon von der Hanseatischen Yachtschule Glücksburg die beeindruckende Szene filmte. Experten schätzten, dass es sich um ein Jungtier mit seiner Mutter handelte, wobei das größere Tier über zehn Meter lang gewesen sein soll.
Wenn Sportbootfahrer Buckelwalen begegnen, besteht laut Judith Denkinger kein Anlass zur Sorge; „Die Tiere sind zwar groß, aber sehr gutmütig, da braucht man wirklich keine Angst haben.“ Sie empfiehlt, das Fahrverhalten den lärmempfindlichen Säugern anzupassen, indem gegebenenfalls die Maschine abgesetzt und Fahrt aus dem Schiff genommen wird. Wichtig ist auch, die seltenen Gäste nicht einzukreisen oder ihnen permanent zu folgen. Ruhiges Verhalten und der Verzicht auf laute Geräusche tragen dazu bei, die majestätischen Meeressäuger nicht zu beunruhigen - und schaffen die perfekte Kulisse für Denkingers Empfehlung: “Genießen Sie einfach die Sichtung!”
Jens Peder Jeppesen vom Øresund-Aquarium ruft dazu auf, Sichtungen zu melden und die Erlebnisse zu teilen. Auch das Deutsche Meeresmuseum bittet um Meldungen, wann immer Skipper Meeressäugern - auch den kleineren Schweinswalen oder Robben - begegnen, und möglichst viele Fotos zu machen. Beides kann wertvolle Daten für Forscher liefern und das Verständnis für die Bewegungen der Meerestiere verbessern. Wer wissen möchte, wo sich Schweinswal, Tümmler & Co bevorzugt tummeln, kann einen Blick in die Sichtungskarte des Meeresmuseums werfen.