SicherheitMann über Bord – Diese 20 Systeme können Leben retten

Hauke Schmidt

, Felix Keßler

 · 22.03.2018

Sicherheit: Mann über Bord – Diese 20 Systeme können Leben rettenFoto: YACHT/N. Günter
Ohne Aufstiegshilfe wird die Bordwand zum unüberwindbaren Hindernis

Bergeschlaufen, Rettungskragen und Wurfleinen sind nur dann Lebensretter, wenn ihr Einsatz vorher geübt wurde. Worauf es ankommt. Mit 20 Systemen im Test

Rettungsmittel finden sich auf vielen Yachten hierzulande in ausreichender Zahl, teils sind ganze Heckkörbe mit Bergesystemen und Rettungskragen bestückt. Das ist löblich. Doch die wenigsten Eigner und Crews dürften ihr System tatsächlich schon einmal ausprobiert haben. So zeigt sich erst, wenn eine Person über Bord gegangen ist, ob die Rettungsmittel zu gebrauchen sind. Im Zweifelsfall ist das zu spät.

Der Blick in Kataloge und Beratungen beim Ausrüster helfen jedenfalls kaum weiter, wenn es gilt, das optimal zu Yacht und Crew passende System zu finden. Manche Produkte ähneln sich zwar stark, die Preisspanne der über 20 auf dem deutschen Markt erhältlichen Bergehilfen reicht jedoch von knappen 50 bis 200 Euro. Grund genug, den recht unübersicht­lichen Markt unter die Lupe zu nehmen und die Produkte in der Praxis zu erproben.

Ganz allgemein können die getesteten Produkte in drei Klassen unterteilt werden:

  1. Rettungsschlaufen, i.d.R. mit faltbarer, gepolsterter Auftriebsschlaufe, Leine und Tasche/Box
  2. Rettungskragen mit festem Auftriebskörper, Leine, Tasche, teils mit Licht
  3. Rettungsleinen mit Schlaufe, Leine und Tasche

Um die einzelnen Testaspekte und -kriterien zu verstehen, lohnt sich zuerst ein Blick auf den Ablauf einer "Mann-über-Bord-Rettungsaktion". Auf der nächsten Seite stellen wir daher verschiedene Manöverabläufe vor.

Bergemanöver auf dem Wasser: kräftig kreisen!

Eine weitere Vorsortierung der Testkandidaten lässt sich über die zu bewältigende Aufgabe erreichen: Während die Schlingensysteme und die Wurfleinen dafür gedacht sind, Kontakt mit dem Verunglückten herzustellen und diesen wieder an Bord zu holen, eignen sich Rettungskragen nicht zum Bergen!

Quickstop Fällt ein Segler auf schnellem Vormwindkurs ins Wasser, ist das Risiko besonders hoch, dass sich die Yacht rasch weit entfernt. Um das zu verhindern, wird beim Quickstop sofort hart angeluvt, um die Yacht in den Wind zu stellen – unabhängig davon, wie die Segel stehen, sogar unter Spi. Dann wird die Maschine gestartet und zum MOB zurück gekehrt. Nachteil dieses Manövers: Die Segel schlagen heftig, dadurch steigt die Verletzungsgefahr an Bord. Außerdem ist das Schiff ohne Motor bei diesem Manöver kaum zu kontrollieren. 
Foto: YACHT

Das heißt: Die Person kann zwar zum Schiff gezogen werden, muss dann aber aus eigener Kraft die Badeleiter erklimmen oder mit einer anderen Rettungstechnik an Deck geholt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Kragen sich schlecht oder gar nicht mit einer aufgeblasenen Rettungsweste kombinieren lassen. Keines der getesteten Systeme kann zusammen mit einer Weste richtig angelegt werden. Westenträgern bringt der Kragen so meist nur, den Kontakt zum Boot nicht zu verlieren.

Wir haben in einer Bilderstrecke vier Manöver-Typen schematisch aufgezeichnet. Ein perfektes Mann-über-Bord-Manöver gibt es nicht. Je nach Schiff, Crew, Wind und Welle muss sich der Skipper für Q-Wende, Quickstop oder eine andere Variante entscheiden. Jede hat Vor- und Nachteile.

Die Testergebnisse

Zurück zum Test der Bergesysteme: Durch das Einkreisen beschreibt der Kragen automatisch einen engeren Radius als die Yacht, wodurch der Verunglückte früher oder später die Leine oder den Kragen zu fassen bekommt. Je länger die Leine ist und umso mehr Widerstand der Kragen im Wasser erzeugt, desto enger wird seine Kreisbahn, mit der Folge, dass sich der Kontakt zur Person schneller ergibt.

  Die Leinenverbindung zur Yacht ist hergestellt. Jetzt kommt der schwierigste Teil: Die Person muss aus dem WasserFoto: YACHT/K.Andrews
Die Leinenverbindung zur Yacht ist hergestellt. Jetzt kommt der schwierigste Teil: Die Person muss aus dem Wasser

Die getesteten Systeme waren mit Leinenlängen zwischen 27 und 42 Metern aus­gestattet. Bei einem anfänglichen Seitenabstand von etwa zwölf Metern zur Person gelang es unserem Probanden spätestens nach zweieinhalb Umkreisungen, die Leine zu greifen. Wichtig: Das Schleppverhalten ist geschwindigkeitsabhängig. Aus diesem Grund haben wir die Versuche mit etwa drei Knoten Fahrt durchgeführt. Manövriert man langsamer, wird es schwieriger, die Schlaufen in eine enge Kurve zu bekommen, da sie nicht unterschneiden und zu wenig Widerstand generieren. Hier geht es zum gesamten Test von 5 Rettungskragen, 3 Wurfleinen und 10 Rettungsschlaufen.

Rettungskragen

  Mit Weste fällt es schwer, das Hufeisen (hier: Rescue Boy, Plastimo) anzulegenFoto: YACHT/Klaus Andrews
Mit Weste fällt es schwer, das Hufeisen (hier: Rescue Boy, Plastimo) anzulegen

Die großen, gut sichtbaren Kragen wirken auf den ersten Blick grundsolide und unkompliziert. Allerdings war die Bedienung bei einem Modell umständlich und erstaunlich wenig intuitiv, bei einem anderen Modell war die mitgelieferte Anleitung gar verwirrend. Auch die Befestigung der durch die großen Kragen recht voluminösen Pakete machte Probleme. Schwerwiegendster Nachteil war jedoch, dass keines der fünf getesteten Modelle zum Bergen konzipiert war. Die Rettung eines MOB endet mit einem festen Kragen damit stets vorläufig an der Bordwand.

Das Test-Kurzfazit: Überzeugen konnte im Rettungskragen-Vergleich vor allem das Modell Swede Buoy von Baltic. Doch auch hier ist die Befestigung ist umständlich. Im Manöver lief die Leine gut aus, der Ring ließ sich sehr gut dirigieren. Bergen nur mit Liftgurt möglich. Mit 77 von 100 möglichen Punkten ist die Swede Buoy damit Testsieger. Hier geht es zu den ausführlichen Testergebnissen (inkl. Test von 10 Rettungsschlaufen und 3 Rettungsleinen).

Rettungsschlaufen

Mit der Möglichkeit, nach dem Heranziehen direkt zur Bergung überzugehen, wollen die Rettungsschlaufen punkten. Sie müssen ausreichend robust sein, eine schwere, erschöpfte, gar bewusstlose Person ohne dessen Mitwirken an Bord zu hieven. Dieser Kraftakt gelingt nur mit Unterstützung durch eine Bergetalje oder Winsch. In voller Montur und mit reichlich Wasser im Ölzeug wog der Proband locker 100 Kilogramm. Auf unserem Testschiff, einer Sun Odyssey 409 von 1. Klasse Yachten aus Flensburg, war glücklicherweise eine elektrische Fallwinsch vorhanden, weshalb wir ihn per Groß- beziehungsweise Spifall aus dem Wasser gezogen haben.

Dazu muss allerdings improvisiert werden, denn keines der Systeme weist ein von Deck aus erreichbares Hievauge auf! Womöglich an der Schlinge vorhandene Anschlagspunkte oder die Bergeschlaufe der Rettungsweste sind schon bei relativ glattem Wasser von Bord aus kaum zu erreichen, wenn die Person mittschiffs neben der Yacht schwimmt. Auch muss die Schlaufenöffnung groß genug sein, denn für ein umständliches Öffnen ist keine Zeit.

  Mit der Mob-Line von Watski ist die Bergung zwar ungepolstert und unkomfortabel, aber sicher Foto: YACHT/Klaus Andrews
Mit der Mob-Line von Watski ist die Bergung zwar ungepolstert und unkomfortabel, aber sicher 

Das Kurzfazit zum Test: Durchweg gute Ergebnisse lieferte die Rettungsschlaufe Lifesling II von Westmarin. Das System ist einfach zu befestigen und auszulösen, liefert dabei gute Manövrierbarkeit. Der Kragen lässt sich gut anlegen und sitzt gut. Das Bergen funktionierte auch mit Rettungswesten hervorragend. Zudem besitzt die Lifesling II knappe 11 Dekanewton Auftrieb und erfüllt sowohl die Sicherheitsanforderungen der Isaf als auch die auf dem Bodensee geltenden Richtlinien. Doch das hat seinen Preis; mit 135€ UVP ist die Schlaufe fast drei Mal so teuer wie das ebenfalls gute Modell des estnischen Herstellers Lade Oy.

Dessen System wird sowohl von A. W. Niemeyer als auch von Compass und Marinepool verkauft. Es kommt in einer soliden, gut schließenden Tasche und gewann den Test nach Preis-Leistungs-Verhältnis. Hier geht es zu den ausführlichen Testergebnissen (inkl. Test von 5 Rettungskragen und 3 Rettungsleinen)

Rettungsleinen

Einfacher gestrickt sind im wahrsten Sinne Rettungsleinen. Am Schlaufenende wird sogar auf Polster verzichtet, die Komplettpakete wogen kaum zwei Kilo. Dafür sind sie sind tendenziell noch schneller abwerfbar, sodass sich ein Kontakt auch ohne Kreisen ergeben kann. Was jedoch auch hier gilt: Zum Werfen hat man nur einen Versuch, da die Leine danach erst klariert und neu gepackt werden muss. Trifft man nicht, ist es günstiger, die Wurfleine einfach am Boot zu belegen und ein Kreismanöver zu fahren. Nachgeschleppt verhalten sich die getesteten Leinen wie Bergeschlaufen, womit sich ein sicherer Kontakt zum Verunglückten erreichen ließ. Da die leeren Leinenbeutel wie kleine Treibanker wirken, lassen sich die Wurfleinen mitunter besser manövrieren, und das Einkreisen gelingt rascher als mit mancher Schlaufe.

Allerdings liefern die Bergegurte der Wurfleinen kaum Auftrieb. Was in Verbindung mit einer Rettungsweste aber kein Nachteil sein muss, denn durch das fehlende Schaumpolster lässt sich der Gurt zum Teil einfacher anlegen. Lediglich die Sichtbarkeit der Schlaufe im Wasser ist schlechter als bei Systemen mit dicken signalfarbenen Polstern.

Das Kurzfazit zum test: Alle Modelle erfüllen ihren Zweck, die Testergebnisse der drei Modelle fielen mit 74, 75 und 76/100 allesamt zufriedenstellend aus. Wer jedoch denkt, die minimalistischen Leinensysteme seien deutlich günstiger, irrt. Mit rund 160 Euro schlägt das Modell Seculift vom Hersteller Secumar bei Versandhändlern zu Buche, die Wurfleine des

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