TechnikIst die CE-Konformität futsch nach Akkutausch?

Mit Lithium-Akkus lassen sich große Energiemengen an Bord holen. Das birgt Risiken, daher soll die Installation besser überwacht werden.
Foto: YACHT/N. Krauss
​Wer auf Lithium-Akkus umrüstet, verliert die CE-Kennzeichnung und muss sein Boot neu zertifizieren lassen – oder auch nicht. Eine Empfehlung zur Anwendung der Sportbootrichtlinie sorgt für Unruhe.

​Verliert eine Yacht ihre CE-Konformität, wenn der Eigner Lithiumbatterien nachrüstet? Und ist dann wirklich eine teure Nachzertifizierung erforderlich? Und zieht die womöglich weitere Umbauten nach sich, damit die Yacht nach den aktuellen Standards überhaupt zertifiziert werden kann? Die formal korrekte Antwort lautet: Vielleicht. Doch wie kam es zu dieser Situation, was bedeutet das für Eigner konkret?

CE-Zertifikate für Yachten erstellen sogenannte benannte Stellen. Eine der größten ist das International Marine Certification Institute in Brüssel. YACHT sprach mit IMCI-Geschäftsführer Ulrich Manigel, der seit über 20 Jahren Zertifizierungen für Boote und Yachten durchführt. Er ist Bootsbaumeister und selbst Eigner. Inwieweit die CE-Zertifizierung für Gebrauchtbooteigner bindend ist, erläutert Rechtsanwalt Benyamin Tanis. Er ist als Spezialist für Rechtsfragen im Wassersport bei der Kanzlei Tanis | von der Mosel tätig.


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Interview mit IMCI-Geschäftsführer Ulrich Manigel

Herr Manigel, warum gibt es eine neue Sachlage?

So neu ist die Sachlage eigentlich nicht. Es wurden jedoch zuletzt einige Auslegungen in der Diskussion der verschiedenen Beteiligten klarer formuliert, auch und vor allem seitens der EU-Kommission. Das hat dann einiges in Bewegung gebracht.

Worum geht es dabei genau?

Es geht um die Frage, was ein „größerer Umbau eines Wasserfahrzeuges“ ist. Denn ein solcher zieht eine „Begutachtung nach Bauausführung“ nach sich. Diese führen die Benannten Stellen durch, dabei kommt ein Inspektor an Bord. Wenn alles in Ordnung ist, stellt die Benannte Stelle nachher einen Konformitätsbericht aus.

Das klingt nach viel Behördensprache.

In der Tat. Das ist so allerdings direkt in der Sportbootdirektive beschrieben, die Teil der geltenden Gesetzgebung in Deutschland ist. Das kann übrigens jeder in der 10. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) nachlesen.

Aus der Sportbootdirektive ergibt sich also, dass, wenn man Lithiumbatterien einbaut, das ganze Boot neu zertifiziert werden muss?

Das Ganze ist derzeitig noch in der Diskussion. Klar ist aber, dass die Verantwortung des Eigners bei einem solchen Umbau noch mal stärker hervorgehoben wurde seitens der EU. Wohlgemerkt hat sich am Gesetz nichts geändert, nur wurde das noch mal ganz klar gemacht: Auch wenn der Eigner die Umbauten gar nicht selbst ausgeführt, sondern bei einem Fachbetrieb beauftragt hat, ist er weiterhin für die Konformität mit der Sportbootdirektive verantwortlich. Er übernimmt die volle Verantwortung für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme der Yacht nach der baulichen Änderung.

Welche Aufgabe hat der Eigner genau in diesem Zusammenhang?

Er muss selber eine Risikoanalyse des Umbaus durchführen. Wenn er erkennt, dass die Umbauten die Konformität mit der Sportbootdirektive infrage gestellt haben könnten, muss er in Absprache mit der Benannten Stelle die Inspektion (PCA) beauftragen.

Welche Maßstäbe können Eigner für ­diese Bewertung heranziehen?

Das ist eine gute Frage, zu der wir gerade in Gesprächen mit der Marktaufsicht in Deutschland und Belgien sind. Zu klären ist mit diesen: Wenn du beim Umbau dieses und jenes eingehalten hast, dann ist ­eine erneute Zertifizierung wahrscheinlich nicht erforderlich. Diese Gespräche laufen derzeit, daher kann ich dazu noch nichts Konkretes sagen. Ein guter Indikator sind jedoch die einschlägigen ISO-Normen.

Und wenn der Eigner nicht selbst Hand anlegt, sondern den Umbau beauftragt?

Der ausführende Fachbetrieb sollte alle erforderlichen Vorschriften einhalten – im Fall der Lithiumbatterie sind das EN ISO 13297:2021 und ISO 23625:2025 – und dies auch schriftlich bestätigen. Hierbei geht es zum Beispiel um Kabelquerschnitte, Sicherungen, Kurzschlussrating der Sicherung, ein geeignetes Ladegerät und einen Notschalter zum Trennen der Batterie vom Gleichstromnetz.

Wichtig ist, dass die Änderungen und Umbauten sorgfältig dokumentiert werden und dass die Bedienungsanleitung des Schiffes entsprechend angepasst wird. Egal wie oder wo ausgeführt, die Entscheidung über eine erneute Zertifizierung bleibt beim Eigner. Das wurde gerade noch mal klargestellt.

Was passiert, wenn der Eigner befindet, dass eine erneute Zertifizierung erforderlich ist?

Das hängt davon ab, ob das Boot schon unter der neuen Sportbootrichtlinie (RCD) zertifiziert wurde, sprich nach dem 18. Januar 2016, dann kommt der Inspektor an Bord und prüft nur die Änderungen. Was passiert, wenn dabei weitere Abweichungen außerhalb des Fokus der Umbauten auffallen, wird derzeit noch diskutiert. Wenn das Boot jedoch unter der ersten RCD von 1994 zertifiziert wurde, dann müssen wir, Stand heute, vermutlich eine komplette Inspektion durchführen.

​»Wenn das Boot zuvor nicht der aktuellen Sportbootrichtlinie entsprach, kann eine Neuzertifizierung mehr als 2.500 Euro kosten.«

Was bedeutet das?

Das würde bedeuten, dass bei einem nach der alten RCD zertifizierten Boot eventuell außerdem eine Wiedereinstiegsmöglichkeit aus dem Wasser geschaffen und der Fäkalientank so umgebaut werden muss, dass das Drei-Wege-Ventil erst dahinter installiert ist. Das sind die wesentlichen Unterschiede zwischen alter und neuer Direktive. Dieser Aufwand ist leider unumgänglich, da das Boote nur nach der aktuellen Sportbootdirektive bewertet werden kann.

Welche Kosten kommen für die beiden Fälle auf den Eigner zu?

Angenommen, der Eigner hat auf einer Yacht mit Konformitätserklärung nach der neuen Sportbootdirektive neue Akkus und neue Ladetechnik verbaut, dann liegt der Aufwand der benannten Stelle sicherlich nicht unter 1.000 Euro plus Reisekosten des Inspektors. Bei Booten mit einer kompletten Abnahme, wenn also keine Konformitätserklärung vorliegt, muss man mit mindestens 2.500 Euro plus Reisekosten des Inspektors rechnen.

2.500 Euro sind eine Menge Geld …

Für ein PCA müssen wir das Boot in Augenschein nehmen, das geht nicht aus der Ferne per Kamera. Dann müssen wir alle Angaben, auch die des Antriebs, überprüfen, müssen dokumentieren, archivieren und eine neue Herstellerplakette anfertigen. Da steckt eine Menge Arbeit drin. Aber ja: Vor allem je nach Bootswert sind einige Tausend Euro sicherlich viel Geld. Wenn übrigens der Inspektor nicht so weit reisen muss oder wenn sich mehrere Eigner zusammentun und die Reisekosten aufteilen, kann man an diesem Punkt Geld sparen.

Was passiert denn, wenn Eigner sich ­diesen Aufwand sparen?

Wie bereits erwähnt, ist der Eigner dazu verpflichtet, bei wesentlichen Änderungen – sofern diese die Konformität infrage stellen könnten – durch eine nachträgliche Begutachtung überprüfen zu lassen, ob das Boot noch der Richtlinie entspricht, und zwar vor Inbetriebnahme. Das steht in Artikel 19.3 der Sportbootdirektive. Natürlich ist das Unterlassen dieser Prozedur nicht bußgeldbewährt. Allerdings verfügt das Boot dann streng genommen nicht mehr über eine gültige CE-Zertifizierung. Ob das die Behörden jedoch bemerken, ­etwa bei einer Kontrolle oder wenn man das Boot verkauft und der neue Eigner möchte es zulassen, was ja in vielen EU-
Ländern durchaus üblich ist, bleibt natürlich fraglich. Und ob Versicherungen im Schadensfall die CE-Konformität überprüfen, entzieht sich meiner Kenntnis. Logischerweise ist aus unserer Sicht im Zweifel aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen eine Nachzertifizierung dennoch meist unumgänglich.

Wenn ich Sie richtig verstehe, ist nicht nur der Umbau auf Lithium eine wesentliche Veränderung. Das können auch andere Anpassungen am Schiff sein, richtig? Wann ist eine Veränderung denn wesentlich?

Im Grunde immer dann, wenn die Änderung Sicherheits- oder Umweltauflagen betreffen könnte, also unter anderem bei Elektrik, Treibstoffsystem, Gasanlagen, Antrieb, hier etwa der Umbau auf Elektroantrieb. Aber eben auch wenn es um die Stabilität geht, weil sich das Gewicht oder die Motorleistung signifikant ändern.

Seit wann ist diese wichtige Neuregelung gültig?

Das ist wie gesagt eigentlich keine „Neuregelung“, sondern seit dem 18. Januar 2016 im Gesetz enthalten. Allerdings wird dem seit den letzten Jahren viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Und jetzt wurde es eben noch mal klargestellt. Das kommt sicher durch die größere Verbreitung der Lithiumbatterien und auch durch den neuen ISO-Standard zum Thema Lithium-­Ionen-Batterien.

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Im Straßenverkehr gibt es das ECE-Prüfzeichen für Produkte, die ohne Teilegutachten oder Abnahme verbaut werden dürfen. Wäre so etwas auch für Lithium-Akkus auf Booten möglich?

Für Lithium-Akkus ist das nicht vorgesehen. Zumal es ja im neuen Lithiumstandard nicht nur um den Akku an sich, sondern um die gesamte Installation geht, die wir betrachten. Da geht es um Absicherung, Verbindungen, Kabelquerschnitte, Lagerung an Bord und so weiter. Nur auf den eigentlichen Akku zu schauen wäre zu kurz gesprungen.

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Können Sie eine Einschätzung geben, wie es mit dem Thema weitergeht?

Das ist schwierig, weil eben auch immer Politik im Spiel ist. Klar ist, dass alle Beteiligten erkannt haben, dass die Regelung, wie sie derzeit vorliegt, noch weiter diskutiert werden muss. Weil ja auch der Übergang auf elektrisches Fahren dadurch erschwert wird, da der ohnehin schon teure Umbau eine zusätzliche und teure Inspektion erfordert.

Andererseits sind Lithium-Akkus an Bord eben auch nicht ganz risikofrei, Stichwort Energiedichte. Da gilt es also einen guten Kompromiss aus Sicherheit und Aufwand zu finden. Daran arbeiten wir als IMCI intensiv mit. Sobald es dazu etwas Neues gibt, werden wir das auf allen unseren Kanälen kommunizieren.


​Die juristische Sichtweise von Benyamin Tanis

Ben Tanis ist Spezialist für Rechtsfragen im Wassersport.Foto: Kristina König/SoulpictureBen Tanis ist Spezialist für Rechtsfragen im Wassersport.

​Die CE-Kennzeichnung ist gemäß der EU- Richtlinie 2013/53/EU über Sportboote und Wassermotorräder zwingend vorgeschrieben für das Inverkehrbringen von Booten zwischen 2,5 und 24 Metern Länge. Sie bestätigt, dass das Boot den geltenden Sicherheits-, Umwelt- und Konstruktionsanforderungen entspricht.

Dabei bezieht sich die Konformität stets auf den Zustand des Bootes zum Zeitpunkt seiner Inverkehrbringung. Nachträgliche Änderungen durch den Eigner können Auswirkungen auf die Gültigkeit der CE-Kennzeichnung haben. Der Ersatz einer Bleisäure-Batterie durch ein Lithiumsystem bringt objektiv eine technische Veränderung mit sicherheitsrelevanten Auswirkungen mit sich. Daher ist auch aus rechtlicher Sicht zu prüfen, ob durch den Batterietausch neue Gefährdungslagen entstehen, die bei ursprünglicher CE-Zertifizierung des Bootes nicht berücksichtigt wurden.

Allerdings stellt die CE-Konformität aus juristischer Sicht für den privaten Betrieb eines Bootes in der EU gar keine notwendige Voraussetzung dar. Privatpersonen dürfen auch Boote fahren, die kein CE-Zertifikat besitzen.

Das gilt zumindest für die deutschen Seeschifffahrtsstraßen sowie die Nord- und Ostsee. Auf unseren Binnenschifffahrtsstraßen und vielen deutschen Seen gilt jedoch eine Zulassungspflicht für Sportboote. In ihrer Not, die Entscheidung auf nachvollziehbare Kriterien zu stützen, fordern die zuständigen Behörden vereinzelt die CE-Konformität des betreffenden Bootes. Ob dies im Einzelfall rechtmäßig ist, kann dahinstehen. Bei gewerblicher Nutzung, Vermietung oder Handel muss das Boot CE-konform sein. Der Verkauf über einen Makler fällt im Übrigen nicht darunter, da dieser nur als Vermittler agiert.

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