AusprobiertOrca-Tablet – der Navigations-Copilot fürs Cockpit. Mit neuer Preisstruktur

Hauke Schmidt

 · 11.03.2024

Ausprobiert: Orca-Tablet – der Navigations-Copilot fürs Cockpit. Mit neuer PreisstrukturFoto: YACHT/M. Rinck
Das Orca-Display lässt sich selbst in vollem Sonnenlicht gut ablesen, es hat keine Temperaturprobleme und ist wasserdicht. Die App läuft auch auf anderen Android- oder iOS-Geräten.
Das Orca-System bietet ein klares Kartenbild und Wetterrouting. Die Kombination aus App, Tablet und den Instrumenten ermöglicht Autopilotenkontrolle und Radar-Overlay. Mit der neuen Preisstruktur wird vieles günstiger. Wer alle Funktionen nutzen will muss aber tiefer in die Tasche greifen.

Navi-Apps wie Navionics oder TZ iBoat von Nobeltec/Maxsea überzeugen in der Regel durch simple Bedienung. Zudem laufen sie auf dem Smartphone oder Tablet, das sowieso an Bord ist. Doch genau diese Hardware kann für Probleme sorgen. Meist schwächeln die Displays bei hellem Sonnenlicht, außerdem fehlt es in der Regel an Wetterschutz und Ausdauer, oder das Gerät schaltet sich im Hochsommer wegen überhöhter Temperatur einfach aus. Auf vielen Yachten laufen daher Plotter und App im Parallelbetrieb.

An dieser Stelle setzt das norwegische Orca-System an, es besteht aus der Co Pilot genannten App, einem wasserdichten Android-Tablet und der Zentraleinheit namens Core. Zur Navigation genügt die App. Sie läuft auch auf normalen Android- und iOS-Geräten und bietet selbst mit dieser Standard-Hardware eine Reihe von Funktionen, die man bei anderen Applikationen vermisst. Allen voran das klare Kartenbild und das Wetterrouting.

Kartenbild & Navigation mit dem Orca-Tablet

Die Farbgebung der Orca-Seekarten ist reduziert, die Seezeichen sind dafür umso besser zu erkennen
Foto: YACHT/H. Schmidt

Die Farbgebung der Seekarten ist sehr zurückhaltend, und Tiefenkonturen jenseits der eingestellten Sicherheitstiefe werden blasser dargestellt, wohingegen Flachwasserbereiche hervorgehoben werden. Dadurch wirkt die Karte aufgeräumt, ohne dass Informationen ganz verloren gehen. Ähnlich sieht es bei den Leuchtfeuern aus. Ihre Sektoren sind vergleichsweise klein, dafür sind die Trennungen als gestrichelte Linien entsprechend der Tragweite verlängert. Außerdem ist die Kennung wie bei Papierkarten direkt am Leuchtfeuer vermerkt. Ein weiterer Trick ist die Skalierung der Seezeichen und von Gefahrstellen wie etwa Steinen, sie werden in Detailansichten hervorgehoben.

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Breites Datenangebot und frei für andere Tablets

Die Grundlage der Karten bilden die offiziellen Daten der jeweiligen hydrografischen Institute. Praktisch dabei: Es sind automatisch alle Seegebiete enthalten. Derzeit bieten die Norweger eine Abdeckung für große Teile Europas, der USA und der Karibik. Wer die Karten nur online nutzen will, kann mit der kostenlosen Version navigiere. Zur offline-Verwendung ist ein Abo nötig. Ursprünglich ließ sich das Karten-Abo nur zusammen mit dem Kauf eines Orca-Displays oder des -Core abschließen. Inzwischen kann die App auch allein genutzt werden, was sie auch für Chartersegler interessant macht.

Das Orca-Tablet kann auch Wetterrouting

Ein weiteres Plus der App ist die Wetterrouting-Funktion. Im Segelmodus berücksichtigt die Software nicht nur die aktuelle Wetterprognose, sondern auch die Polardaten des Bootes. Statt eines direkten Kurses nach Luv gibt das System beispielsweise eine realistische Kreuz vor.

Das funktioniert erstaunlich gut und sehr zügig. Selbst längere Törns, beispielsweise von der Flensburger Förde bis ins 330 Meilen entfernte schwedische Figeholm, berechnet das System in kaum 30 Sekunden, inklusive Ansteuerung durchs verwinkelte Schärenfahrwasser. Auf längeren Etappen mit möglichen Wetteränderungen ist damit eine deutlich genauere Planung möglich.

Ganz fehlerfrei arbeitet die Software jedoch nicht, so werden Verkehrstrennungsgebiete mitunter geschnitten. Außerdem sind nicht bei allen Brücken die Öffnungszeiten hinterlegt. So weigerte sich die App beispielsweise eine Route durch den Strelasund zu berechnen, offensichtlich ist die Ziegelgrabenbrücken als feste Querung hinterlegt. Mit ähnlichen Problemen kämpfen aber alle uns bisher bekannten Autoroutingfunktionen.

Als Grundlage fürs Routing nutzt Orca hochauflösende Vorhersagen acht unterschiedlicher Wetterdienste. Darunter sind auch die für Nordeuropa interessanten dänischen, norwegischen und schwedischen Dienste mit ihren Regionalmodellen. Die Vorhersage wird als Streckenwetter entlang der Route gezeigt. Diese vermeintlich simple Darstellung macht deutlich, wie sich die Verhältnisse im Verlauf des Törns ändern. Dabei lässt sich zwischen Wind, Wettererscheinung, Strömung oder Seegang wählen. Wem das nicht reicht, der kann die Route in der Detailansicht im Voraus abfahren.

Neben den Wetterinformationen muss die Software wissen, wie schnell und hoch die Yacht segeln kann. Dazu greifen die Norweger auf die Datenbank des ORC-Vermessungssystems zurück. Die Wahrscheinlichkeit, unter den 7.000 Datensätzen ein Schwesterschiff zu finden, ist groß. Die Werte lassen sich direkt in der App anpassen, und zwar detailliert einzeln oder pauschal per Skalierungsfaktor. Dabei wird noch zwischen Tag- und Nachttörns unterschieden und Wendewinkel definiert.

Die Funktionen vom Orca Display

Die Wettervorhersage wird frisch aus dem Internet geladen, daher stehen im Offline-Betrieb nur das normale Autorouting und die manuelle Wegpunktvergabe zur Verfügung.

Schneller und höher: Rund 7.000 Polardiagramme aus ORC-Vermessungen können genutzt werden. Die Werte lassen sich einzeln anpassen
Foto: YACHT/H. Schmidt

Für unseren mehrwöchigen Praxistest haben wir die App mit dem Orca-Display 2 und dem Core genutzt. Zudem haben wir sie auf einem betagten iPad Air 2 und einem iPhone SE von 2020 installiert. Selbst mit der alten Hardware gab es keine Abstürze oder Ruckler.

Orca punktet im Bordeinsatz

In Bordeinsatz hat sich das 10-Zoll-Tablet der Norweger aber am besten bewährt. Dank des matten und sehr hellen Displays lässt sich die Seekarte selbst in der Sonne gut erkennen. Auch die Benutzung mit einer polarisierten Sonnenbrille ist problemlos möglich. Außerdem ist es wasserdicht und robust, wir hätten uns aber eine Gummierung gewünscht, damit es bei Lage nicht so leicht ins Rutschen gerät.

Orca gibt an, dass die Akkukapazität für acht Stunden Laufzeit ausreicht. Bei intensiver Nutzung in heller Umgebung sollte man aber eher sechs Stunden autarken Betrieb einplanen. Die optionale Halterung mit integrierter Wireless-Ladefunktion stand uns nicht zu Verfügung. Sie kostet 299 Euro, ist für den Dauerbetrieb aber empfehlenswert. Thermische Probleme, wie sie bei vielen Tablets im Sommer auftreten, hatten wir beim Orca-Display nicht. Die Verbindung zum Boot übernimmt die Core genannte Blackbox. Sie besitzt einen NMEA-2000-Anschluss, W-Lan und Bluetooth, außerdem sind ein GPS, Kompass, Gyro- und Beschleunigungssensoren integriert. Die neueste Variante unterstützt zudem den Anschluss von Quantum-Radarantennen von Raymarine.

Autopilot, AIS und Instrumente

GPS, Kompass und Gateway: Der Orca-Core verbindet die App per Bluetooth oder W-Lan mit dem Instrumenten­system, er unterstützt NMEA 2000 und Raymarine-Quantum-Radaranlagen per W-Lan oder Raynet. Außerdem sind GPS-Empfänger und ein Neun-Achsen-Kompass verbaut
Foto: YACHT/M. Rinck

Instrumentendaten auf dem Orca-Display

Das Display wird per W-Lan oder Blue­tooth mit dem Core verbunden, was auch mit anderen Tablets funktioniert. Anschließend können die den Bordnetzwerken verfügbaren Sensorwerte als Datenkästen oder Instrumenten-Seiten zusammengestellt werden. Timeplots gibt es bisher allerdings nicht. Die Windinformationen werden zudem als Laylines in der Karte angezeigt, außerdem nutzt der Core die Krängungs- und Beschleunigungsdaten, um die durch Bootsbewegung entstehenden Windanzeige-Fehler zu korrigieren.

Wer einen Autopiloten von Garmin, Raymarine oder B&G an Bord hat, kann diesen mit Hilfe des Core auch über die App bedienen. Was zumindest im Fall unseres Garmin GHP 10 gut funktioniert hat. Besonderheit hierbei: Wenn man einer Route folgt, lassen sich bevorstehende Kursänderungen bis zu 15 Minuten im Voraus bestätigen. Damit hat man im eigentlichen Manöver die Hände frei.

Abomodell mit drei Preisstufen

Allein die gelungene Kartendarstellung von Orca lässt die meisten Plotter alt aussehen, zumal das Display mit rund 1.000 Euro so viel kostet wie ein Einstiegs-Plotter. Der Core schlägt mit 550 Euro zu Buche. Die App selbst ist kostenlos und kann mit Online-Karten genutzt werden. In Deutschland und Dänemark und Schweden allerdings nur für einen kurzen Testzeitraum, da die Hydrographischen Institute die kostenlose Nutzung der Kartendaten nicht erlauben. Für die Offline-Nutzung, das Wetterrouting, Satelliten Overlay und einige andere Funktionen ist das Plus-Abo für 49 Euro nötig. Das ist deutlich weniger als Plotterkarten kosten.

Wer auch das erweitere Online-AIS mit Anbindung an die Bilddatenbank von Marinetraffic, sowie die dynamische Neuberechnung der Routen und das automatische Logbuch nutzen will braucht zusätzlich das Smart-Navigation-Abo für 99 Euro pro Jahr. Damit kostet der maximale Funktionsumfang 148 Euro jährlich. Wer bereits Orca Kunde ist und das bisherige Premium-Abo abgeschlossen hat, kann es zu den alten Konditionen weiter nutzen.

Selbst in der teuersten Ausführung beträgt die Investitionssumme für Orca lediglich der eines Mittelklasse-Plotters. Das System ist also auch preislich eine ernst zu nehmende Alternative und bietet zudem gutes Wetterrouting.

Wertung: 4 Sterne

Dieser Artikel wurde erstmals am 25. 1. 2024 veröffentlicht und in der Zwischenzeit um neue Informationen bezüglich des Bezahlmodells ergänzt.


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