BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut schreibt von einem “ausgewachsenen Tiefdruckgebiet”, das sich offenbar auf die Branche zubewege, nachdem man ein Jahr zuvor lediglich von ersten Gewitterwolken geschrieben habe, als Russland die Ukraine überfallen hatte. “Mittlerweile”, so Stahlhut, “zeichnet sich ein anderes Bild ab.”
Die aus Branchensicht “rosigen Corona-Zeiten“ seien vorbei, der Krieg mit seinen globalen wirtschaftlichen Auswirkungen fordere seinen Tribut. Das mache sich auch an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bemerkbar.
Stahlhut: “Der Leitzins scheint einen Marathon zu absolvieren. Dachte man vor zwölf Monaten, der Leitzins hat sein vorläufiges Hoch erreicht, weiß man es heute besser, denn in der Zwischenzeit gab es noch weitere vier Zinsschritte auf aktuell insgesamt 4 Prozent. Einen noch höheren Wert gab es zuletzt im Jahr 2000.” Dies führe aktuell dazu, dass der Zins für Bootsfinanzierung nun bei sieben Prozent bei Laufzeiten bis 15 Jahren liege.
Zudem sei die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2023 laut Bundeswirtschaftsministerium um 0,3 Prozent zurückgegangen. Da es bereits im vierten Quartal 2022 zu einer Abnahme um 0,5 Prozent gekommen war, befinde sich Deutschland definitionsgemäß in einer „technischen“ Rezession.
Einer der wenigen Lichtblicke in der aktuellen Situation sei die Tatsache, dass Motoren, Ersatzteile und Bauteile endlich wieder relativ unlimitiert zur Verfügung stünden und die Auftragsbücher der Werften überwiegend noch bis zum 2. Quartal 2024 ganz gut ausgelastet seien. Die Zahl der Gewinner sei aber “sehr überschaubar”.
Stahlhut: “Wenn man es nun positiv sehen möchte, könnte man sagen, nach langen Durststrecken, wo es nahezu keine Boote verfügbar in Deutschland zu kaufen gab, ist das Angebot mittlerweile wieder auf Vorkrisenniveau. Ob Gleiter, Halbgleiter, Verdränger, ob Motor- oder Segelyachten, ob Neu- oder Gebrauchtboote, man findet aktuell wieder alle Typen im Angebot der Händler.”
Die schlechte Nachricht: Es gebe keine Bootsklasse, die aktuell gleich gut oder gar besser performe als im Vorjahr. Alle Bootsklassen und -typen stünden derzeit schlechter da als 2022.
Bei den Einsteigerbooten bis 7,50 Meter hätten 82 Prozent der befragten Unternehmen angegeben, dass die Verkäufe unter Vorjahr lägen. Bei Motorbooten bis 12 Meter seien es immer noch 67 Prozent und bei Motoryachten über 12 Meter immerhin noch 44 Prozent gewesen.
Bei Segelbooten sei die Entwicklung ähnlich, mit einem Unterschied: In keiner Größenklasse habe es Rückmeldungen gegeben, dass die Geschäfte aktuell besser liefen als im Vorjahr. Auch nicht bei der größten Klasse über 12 Meter.
Stahlhut: “Dies ist sicher unter anderem darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Segelyachten für den Chartermarkt gekauft wird, was bei Motoryachten eher selten der Fall ist. Sind diese Segelyachten aber plötzlich 40 Prozent in der Anschaffung teurer als vor 18 Monaten und man ist nicht in der Lage, die gestiegenen Anschaffungskosten auf die Wochencharterpreise umzulegen, entsteht mitunter eine große Finanzierungslücke und die übliche Rendite ‘segelt’ dahin.” Zeitgleich gebe es für Barvermögen wieder eine ansprechende Verzinsung. Beide Faktoren ließen den Markt offenbar gerade trockenfallen, was größere und noch nicht abschätzbare Folgen nach sich ziehen könne, warnt der Verbandsgeschäftsführer.
Immerhin: Bei den Segelbootvercharterern sei zumindest alles beim Alten. Es gebe gegenüber dem Vorjahr kaum Abweichungen nach oben oder unten.
Aufhorchen sollte man in den Segel- und Motorbootschulen, die einen Rückgang bei den Kursteilnehmern verzeichnen würden. Zwar seien 2021/2022 Rekordjahre für die Ausbildungsbetriebe gewesen und insofern zeichne sich nun lediglich eine Normalisierung ab. “Aber”, so Stahlhut: “Eine Ausbildung ist der Beginn des Einstiegs in den Wassersport, also sollten dort die Aktivitäten wieder intensiviert werden, um neue Kunden zu begeistern.”
Gut sieht es hingegen nach Einschätzung des BVWW für die Servicebetriebe und die Marinas aus. Beide Sparten hätten nach wie vor alle Hände voll zu tun, Lücken in Auftragsbüchern und Liegeplatzlisten seien kaum bis gar nicht vorhanden. Einzig der Fachkräftemangel bereite hier Anlass zur Sorge.
Was viele spartenübergreifend eint, sei offenbar die Preisentwicklung. Laut Umfrage meldeten 75 Prozent der Betriebe höhere Verkaufspreise (Vorjahr: 78 %), wobei 65 Prozent (Vorjahr 55 %) mit der Gewinnsituation ihres Unternehmens nicht zufrieden seien. Daraus resultierend habe die Investitionsbereitschaft im laufenden Jahr um 10 Prozentpunkte nachgelassen: von 30 auf knapp 20 Prozent der befragten Unternehmen. Eine ähnliche Entwicklung sei im Personalbereich zu sehen. Während 2022 noch 50 Prozent der befragten Unternehmen neues Personal einstellen wollten, seien es nun nur noch 40 Prozent.
“Zusammenfassend kann man festhalten, dass mittlerweile nur noch knapp 20 Prozent der befragten BVWW-Unternehmen die aktuelle Geschäftslage besser bewerten als im Vergleichszeitraum 2022, als dieser Wert noch bei 40 Prozent lag. Der Rückgang der Euphorie, bereits im letzten Jahr um diese Zeit, bestätigt sich zunehmend und schlägt sich jetzt auch in den Zahlen nieder”, sagt Karsten Stahlhut.
Im Gleichschritt zur aktuellen Situation marschiere die Konjukturprognose weiter nach unten: Nur noch knapp 44 Prozent der BVWW-Unternehmen gingen mittelfristig von einer positiven oder zumindest stagnierenden Entwicklung aus. Im Vorjahr seien das immerhin noch knapp 60 Prozent gewesen.