Kaum ein Segler verzichtet auf den Windanzeiger im Masttopp – bei einem Blick über einen vollen Hafen findet sich so gut wie kein Mast ohne das bewegliche Fähnchen. Meist handelt es sich um einen Windex der gleichnamigen schwedischen Firma. 1964 auf den Markt gebracht und seitdem fast unverändert, wurde er nach deren Angabe bisher rund 1,5 Millionen Mal verkauft.
Um funktionieren zu können, muss ein Verklicker bestimmte Anforderungen erfüllen. Dabei ist es egal, ob es ein Windex ist, ein anderes Fabrikat oder ein Selbstbau. Er sollte leicht sein, um den Masttopp nicht zusätzlich zu beschweren, dies gilt umso mehr, je sportlicher das Boot ist. Und er sollte leichtgängig arbeiten, um gerade im wichtigen Schwachwindbereich noch akkurat anzuzeigen. Außerdem muss die Befestigung zuverlässig sein. Nicht wenige Windfahnen gingen schon im Seegang verloren oder flippten von der Stange, wenn das Achterstag ruckartig gelöst wurde. Die Stange selbst, auf der die Fahne thront, sollte ein Stück weit vom Masttopp entfernt sitzen, damit der Anzeiger nicht von den Abwinden des Mastes oder der Segel beeinflusst wird.
Einen ersten großen Nutzen hat ein Verklicker schon im Hafen bei Ab- und Anlegemanövern. Jedes Crewmitglied kann ihn sehen und sofort feststellen, woher der Wind weht und daraus ableiten, wohin die Yacht versetzt wird. Gerade ungeübten Seglern lassen sich so leicht Faustregeln beibringen, etwa beim Anlegen in Boxen oder mit dem Heck zur Pier. Auf der Seite, zu der die Spitze des Verklickers zeigt, zuerst die Festmacher ausbringen; auf der Seite, auf der die Fahne steht, sind die Fender am wichtigsten. Das erspart dem Steuermann gerade in den hektischen Phasen von Manövern ablenkende Nachfragen.
Sind allerdings die Segel gesetzt, ist etwas mehr Verständnis dafür nötig, was der Windanzeiger anzeigt und warum, um ihn optimal nutzen zu können. Denn wenn die Yacht still steht oder sich nur sehr langsam bewegt, wie im Hafen, zeigt der Verklicker die Richtung des wahren Windes an, also die tatsächliche Windrichtung. Macht die Yacht jedoch Fahrt, ändert sich dies. Der an Bord wahrgenommene Wind ist eine Resultierende aus dem Fahrtwind und dem wahren Wind, scheinbarer Wind genannt. Diesen zeigt der Windex an. Der scheinbare Wind ändert jedoch seine Richtung und Stärke je nach Kurslage, Windgeschwindigkeit und Fahrt der Yacht sehr stark und hat oft wenig mit der Richtung des wahren Windes zu tun.
Eine Yacht segelt mit dem scheinbaren Wind. Dieser resultiert aus der Richtung und Stärke das wahren, natürlichen Windes sowie der Stärke des aus Kursrichtung kommenden Fahrtwindes. Der scheinbare Wind kann seine Richtung und Stärke deutlich ändern, je nach Kurs und Geschwindigkeit der Yacht. Die Grafik zeigt auf der linken Seite den scheinbaren Wind für vier Einfallswinkel des wahren Windes, der mit zehn Knoten weht, die Yacht macht jeweils fünf Knoten Fahrt. Rechts ist dieselbe Situation mit gleichbleibendem wahrem Wind, aber zehn Knoten Geschwindigkeit der Yacht darstellt. Die Abweichungen sind augenfällig.
Ein wichtiges Hilfsmittel, um den Verklicker richtig zu nutzen, sind die kleinen Indikatoren, die bei vielen Modellen unterhalb der Fahne angebracht sind und sich wie beim Windex mittels Verbiegen auf einen bestimmten Winkel einstellen lassen. Bei deren Einstellung ist es zunächst wichtig, dass die beiden Indikatoren symmetrisch zur Mittschiffslinie stehen, also jeweils denselben Winkel zu dieser anzeigen. Welcher Winkel der richtige ist, richtet sich nach dem Bootstyp, vor allem der Geschwindigkeit. Ziel dabei ist, dass auf einem Amwindkurs die Fahne des Verklickers möglichst direkt über dem Lee-Indikator steht.
Oft ist zu lesen, man solle die Indikatoren deshalb auf 45 Grad einstellen, dass sie also 90 Grad zueinander stehen. Doch das ist falsch und ein Missverständnis. Denn die meisten Yachten segeln zwar etwa 45 Grad zum wahren Wind, der Verklicker zeigt aber eben den scheinbaren Wind an. Dieser kommt mit Fahrt im Boot immer vorlicher als der wahre Wind – je mehr Bootsspeed, desto spitzer der Winkel. Ein Wert zwischen 55 und 65 Grad wird deshalb empfohlen, Windex liefert dazu sogar eine Biegeschablone. Auf diese Weise eingestellt, sind die Indikatoren ein schneller und einfacher optischer Anhaltspunkt für den zu steuernden Kurs. Ohne sie würde ein Bezugspunkt fehlen, und es bedürfte wesentlich mehr Erfahrung, den Winkel der Windfahne richtig zu deuten.
Grundsätzlich sollte auf keinem Kurs direkt nach dem Verklicker gesteuert werden. Er dient vielmehr als ständiger, unabhängiger Abgleich, als Rückversicherung für den Steuernden. Auf einem Amwindkurs sind die Windbändsel im Segel und die Krängung die wichtigsten Anhaltspunkte für den richtigen Kurs. Bei viel Wind und starkem Seegang wird der Verklicker sogar zum Teil nutzlos, da er wegen des ständigen Abbremsens und Beschleunigens der Yacht und dem sich damit ändernden Fahrtwind auch beständig seine Richtung ändert. Das kann so weit gehen, dass die Fahne kreiselt. Bei sehr wenig Wind jedoch, wenn kaum Steuergefühl im Boot ist, oder wenn es regnet und die Windbändsel am Segel kleben, kann der Windex das letzte verbleibende Hilfsmittel sein. Dabei gilt die Regel: Steht die Fahne zwischen den Indikatoren, wird zu hoch gesteuert; steht sie außerhalb, zu tief. Sehr erfahrene Steuerleute, die ihr Boot gut kennen, können auch nach dem Grad der Überlappung von Fahne und Indikator steuern.
Auch um nach einer Wende schnell wieder den richtigen Kurs zu steuern, ist der Verklicker ein gutes Hilfsmittel. Dabei einfach so weit abfallen, dass Fahne und Lee-Indikator übereinander stehen.
Auf Kursen zwischen Amwind und Vormwind dient der Windex vor allem der richtigen Einstellung der Segel, speziell des Großsegels. Denn anders als die Genua ist das Groß häufig nicht mit Windbändseln ausgestattet. Dann kann es schwierig sein zu erkennen, ob es zu dicht oder zu weit aufgefiert gefahren wird. Ein Anhaltspunkt dafür ist das Killen des Vorlieks als Zeichen für ein zu weites Auffieren. Je nach Schwere des Tuches tritt dieses Killen aber erst sehr spät oder, gerade bei Laminatsegeln, gar nicht auf. Dann hilft wieder der Verklicker und eine Faustregel: das Groß so dicht nehmen, dass der Baum etwa 20 bis 30 Grad dichter steht als die Fahne des Verklickers. Aber das ist nur ein grober Richtwert.
Mehr Bedeutung kommt dem Windanzeiger und den Indikatoren dann wieder bei vorlichen Richtungen zu. Gerade bei härteren Bedingungen, viel Wind und Seegang, kann es sehr schwierig sein, die Yacht tief zu segeln und dabei eine Patenthalse zu vermeiden; erst recht, falls der Wind gedreht hat und die Wellenrichtung nicht mehr mit der Windrichtung übereinstimmt. Dann kann die Laufrichtung der Wellen dazu verleiten, einen falschen, gefährlichen Kurs zu steuern. Der Verklicker gibt jedoch immer schnell und zuverlässig Rückschlüsse über den Windeinfallswinkel. Steht der Zeiger des Windex genau zwischen den Indikatoren, wird platt vor dem Laken gesegelt. Dann ist die Gefahr einer Patenthalse schon sehr hoch, falls der Steuermann auch nur wenig nach Lee abweicht. Besser ist ein Kurs, bei dem der Zeiger über dem Luv-Indikator steht, auf jeden Fall aber eher zu diesem zeigt als zur Mitte zwischen beiden. Dann kommt der scheinbare Wind etwas von Luv, die Yacht segelt ruhiger, oft auch etwas schneller als platt vor dem Wind. Vor allem aber ist die Gefahr einer Patenthalse gebannt.
Soll tatsächlich gehalst werden, liefert der Windanzeiger auch wieder gute Rückschlüsse. Bei der Vorbereitung des Manövers sollte dann so gesteuert werden wie oben beschrieben. Ungeübtere Steuerleute neigen dazu, schon in der Vorbereitung der Halse sehr tief, bis vor den Wind zu gehen. Dabei erhöht sich jedoch die Gefahr der Patenthalse. Außerdem verstärken sich bei diesem Kurs meist die Rollbewegungen der Yacht, was es der Crew erschwert, die nötigen Handgriffe im Cockpit vorzunehmen. Und der Steuermann kann den Halt verlieren und sich versteuern.
Nach der Halse kann es vorkommen, dass die Orientierung wegen Hektik an Bord und des Kurswechsels beim Steuermann verloren geht. Auch dann hilft der Verklicker: so weit anluven, bis der Zeiger wieder über dem Luv-Indikator steht.
Regattasegler nutzen den Windanzeiger zudem als taktisches Mittel. Denn er zeigt auch an, in welcher Richtung man mit Abwinden eines Gegners rechnen muss oder wie man sich positioniert, um einem Gegner Abwinde zu geben und ihn damit zu bremsen. Dabei gilt an der Kreuz: Weist der Pfeil meines Windex auf einen Gegner in Luv, bekomme ich dessen Abwinde. Zeigt meine Windex-Fahne auf einen Gegner in Lee, gebe ich ihm Abwinde.
Schwieriger wird das auf tieferen Kursen, erst recht bei sehr schnellen Booten. Ein Extrembeispiel ist der America’s Cup. Die foilenden Boote sind so schnell und erzeugen damit so viel Fahrtwind, dass auch auf tiefen Raumschotskursen der Wind schräg von vorn kommt, nur etwa fünf Grad raumer als auf dem Amwindkurs. Der Abdeckkegel der Segel liegt damit nach Lee achteraus. Um damit den Gegner zu beeinflussen, muss man schon an diesem vorbeigesegelt sein. Auch bei Gennakerbooten tritt dieser Fall ein, wenn auch nicht so stark. Die Grafik auf Seite 86 zeigt diesen Fall auf der rechten Seite für einen Einfallswinkel des wahren Windes von 130 Grad (grün), der scheinbare Wind kommt bei zehn Knoten wahrem Wind und zehn Knoten Fahrt aus 65 Grad.
Zu den ganz wenigen Seglern, die auf einen Verklicker verzichten, gehört Boris Herrmann. Er verlässt sich voll auf die Elektronik seines Imocas. Das muss er auch, da sein Boot fast die ganze Zeit vom Autopiloten gesteuert wird. Dieser benötigt akkurate Winddaten. Fällt dabei eine Komponente aus, wäre er per Handsteuerung chancenlos, er muss ja auch irgendwann schlafen. Da würde ihm auch kein Verklicker helfen.
Alle anderen Segler sollten sich jedoch nicht allein auf die sogenannte Windlupe verlassen. Zwar kann durchaus nach dieser gesteuert werden, nur setzt dies ein funktionierendes System voraus. Denn die Geberfahne im Mast misst wie beim Verklicker die Richtung des scheinbaren Windes, das Windrad dessen Stärke. Dazu kommen die Daten der Logge, um die Stärke des Fahrtwindes und damit Richtung und Stärke des wahren Windes zu errechnen. Steht dabei etwa der Windgeber nicht genau mittig oder messen Windrad oder Logge ungenau, sind die angezeigten Werte nutzlos.
Das ist oft bei schlecht gewarteten Charteryachten zu beobachten, wenn die angezeigten Werte auf den unterschiedlichen Bugen stark voneinander abweichen. Um sich zu vergewissern, ob die Anzeige halbwegs genau ist, kann unter Maschine genau gegen den Wind gefahren werden. Steht die Anzeige im Display dann exakt bei null, stimmt beim Geber zumindest die Windrichtung; ob er auch genau dessen Stärke misst, weiß man allerdings nicht. Außerdem gilt auch hier, dass die Geber im Mast von dessen Verwirbelung beeinflusst werden. Diese ist gerade vor dem Wind sehr stark und kann in Manövern zu deutlichen Abweichungen der Anzeige führen. Sich dabei allein auf die Elektronik zu verlassen kann gefährlich sein. Nicht zuletzt ist es auch möglich, dass die Elektronik schlicht ausfällt.
Ist die Elektronik jedoch genau, spricht wenig dagegen, nach dieser zu steuern. Dann kann die Anzeige des Displays auf den wahren Wind gestellt werden. Die Richtung des scheinbaren Windes lässt sich somit direkt und unabhängig am Verklicker ablesen, ohne erst Knöpfchen drücken zu müssen.
Eine Windfahne ist also keineswegs ein Rudiment vorelektronischer Zeit, sondern eine sinnvolle Ergänzung der Elektronik. Der Verklicker ist zudem das einzige zuverlässige Hilfsmittel, mit dem sich sofort die Richtung des scheinbaren Windes oder im Hafen des wahren Windes feststellen lässt. Zwar sollte jeder Steuermann nach Windfäden und Intuition steuern. Dazu gehört aber ein regelmäßiger Blick in den Masttopp.