PraxisMit diesen Helferlein inspizieren Sie spielend Ihr Unterwasserschiff

Hauke Schmidt

 · 19.07.2024

Mini-Dive-Tauchsystem: Der Atemregler sitzt direkt an der kompakten Druckflasche aus Kohlefaser. Sie kann mit 250 bar gefüllt werden und lieferte im Test Luft für etwa fünf Minuten unter Wasser. Der Hersteller Mini Dive hat auch Systeme mit größerem Fassungsvermögen und abgesetztem Druckregler im Angebot
Foto: YACHT/Jozef Kubica
Wie man Probleme und Bewuchs unterhalb der Wasserlinie von Bord oder vom Beiboot aus begutachten kann und welche Ausrüstung dabei hilft, um auch länger am Unterwasserschiff auf Tauchstation zu gehen

Wer in kristallklarem und warmem Wasser unterwegs ist, wird bei einem Problem unter der Wasserlinie einfach zu Badehose und Taucherbrille greifen und schnell selbst nachschauen. Was aber, wenn die Temperaturen niedrig sind und die Sicht schlecht ist oder es nur so von Feuerquallen wimmelt? Gründe, erst einmal ohne nasse Füße nach einer Lösung zu suchen, gibt es viele. Aber was lässt sich vom Schiff oder Beiboot aus begutachten, und welche Ausrüstung ist dafür nötig? Und wenn alles nichts hilft: Wie lässt sich der nötige Tauchgang erleichtern und die mögliche Zeit unter Wasser verlängern?

Unterwasserschiff kontrollieren mit Actioncam

Für den ersten Versuch haben wir eine wasserdichte Actioncam am Bootshaken befestigt und versucht, damit vom Schiff aus einen Blick unter den Rumpf zu werfen. Notfalls lässt sich die Kamera mit Klebeband am Stab befestigen oder mit einem Bändsel laschen. Deutlich einfacher und sicherer funktioniert es allerdings mit einer Klemmhalterung mit Kugelkopf, auch Krabbenklemme genannt. Damit hält die Kamera nicht nur zuverlässig auf dem Rohr, sie lässt sich auch im hoffentlich passenden Winkel fixieren. „Hoffentlich“, weil unter Wasser keine Funkverbindung zwischen Kamera und Smartphone möglich und damit auch kein Sucherbild vorhanden ist. Die Kamera muss also auf gut Glück ausgerichtet werden.

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Es ist erstaunlich, was sich selbst mit einer betagten GoPro im trüben Ostseewasser einfangen lässt. Eine Sichtprüfung des Loggengebers war problemlos vom Vorschiff aus möglich. Wer ein salzwasserfestes Smartphone hat, kann das ebenfalls verwenden. Je nach Modell kann es günstiger sein, den sogenannten Timelapse-Modus zu nutzen und alle paar Sekunde ein Foto zu machen oder ein Video aufzunehmen. In jedem Fall sollte die Kamera langsam geschwenkt und der Winkel des Bootshakens variiert werden. So hat man die größte Chance, zwischendurch den richtigen Bildausschnitt zu erwischen. Dabei hilft auch das starke Weitwinkel der Kamera. Um auf den Fotos oder Videos Details zu erkennen, müssen sie aber auf Smartphone, Tablet oder einen Laptop übertragen werden, damit hineingezoomt werden kann.

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Die Aufnahmen machten aber auch deutlich: Die Schraube oder gar der Kiel lassen sich mit dieser Technik vom Schiff aus nicht inspizieren, denn trotz des hellen Antifoulings und strahlender Sonne war der Saildrive bei unserer Erprobung allenfalls schemenhaft zu erkennen, Gleiches gilt für den Kiel. Es ließ sich nicht einmal feststellen, ob Algenbewuchs am Unterwasserschiff vorhanden ist, denn die grünliche Wasserfärbung ließ das Antifouling bereits wenige Dezimeter vor der Kamera algig-grün erscheinen.

Um weiter unter den Rumpf und damit näher an Propeller und Kiel zu kommen, haben wir das neben dem Boot vertäute SUP genutzt. Von der Schwimmplattform aus reichte der auf 1,80 Meter ausgezogene Boothaken so weit unter den Rumpf, dass sich brauchbare Aufnahmen des Saildrives machen ließen. Problem hierbei ist wiederum das Zielen. Um nicht am Motiv vorbeizustochern, sollte man sich genau ansehen, wo der Antrieb im Schiff sitzt. Zudem empfiehlt es sich, den Videomodus zu verwenden. Dann kann man die Bewegung der Kamera besser erkennen und so beim nächsten Versuch in die richtige Richtung lenken. Eventuell ließe sich eine Endo­skop-Kamera parallel zur Actioncam am Bootshaken montieren. Diese Kameras übertragen das Bild über ein langes Kabel zum Sender, der ein Sucherbild ans Smartphone liefert. Damit lässt sich die Actioncam möglicherweise an die passende Stelle am Unterwasserschiff navigieren.

Next level: Unterwasserdrohne

Apropos navigieren: Mit der Unterwasserdrohne Dory von Chasing sollte sich der Rumpf ebenfalls inspizieren lassen. Sie wird beispielsweise von Compass24 angeboten und kostet rund 550 Euro. Das Mini-U-Boot ist per Kabel mit einer Funkboje verbunden und wird per Smartphone gesteuert. Es hat eine Reichweite von bis zu 50 Metern und kann 15 Meter tief tauchen. In der Praxis lassen sich damit tatsächlich Unterwasserexpeditionen zum Kiel oder Propeller unternehmen.

Mithilfe von fünf kleinen Propellern kann das U-Boot die Tauchtiefe und die Ausrichtung automatisch halten, trotzdem erfordert die Steuerung per Smartphone Übung, genau wie die Orientierung unter Wasser anhand des Kamerabildes. Hat man es geschafft, an die interessante Stelle heranzunavigieren, können Fotos und Videos gemacht werden. Die Kamera besitzt HD-Auflösung, ist im Nahbereich allerdings unscharf. Makroaufnahmen darf man nicht erwarten. Es lässt sich aber deutlich mehr erkennen als mit der Action­cam am Bootshaken, außerdem macht es viel Spaß, durchs Wasser zu zischen, den Meeresgrund und das Unterwasserschiff zu erkunden.

Tauch- oder Schnorchelausrüstung

Kaum eine Segelcrew dürfte eine komplette Tauchausrüstung in der Backskiste mit sich führen. Aber: Maske und Schnorchel sollten auf keiner Yacht fehlen. Auf Nord- und Ostsee ist auch ein Neoprenanzug empfehlenswert, denn selbst im Sommer droht bei längeren Unterwassereinsätzen leicht eine Unterkühlung. Nachteil der Gummihaut: Sie erzeugt zusätzlichen Auftrieb, weshalb es schwieriger wird, bis zum Propeller zu gelangen. Wer öfters auf Tauchstation geht, sollte daher über einen Satz Tauchergewichte nachdenken, um den Auftrieb des Neos zu mindern. Der Bedarf richtet sich nach der Körpergröße und der Dicke des Anzugs. Als Richtwerte kann man etwa fünf Prozent des Körperwichts an Ballast einkalkulieren. Wichtig dabei: Es sollte immer Restauftrieb vorhanden sein.

Bei den fülligen Unterwasserschiffen moderner Yachten ist es ein weiter Weg vom Atemholen bis zum Einsatzort unter dem Rumpf. Flossen vereinfachen das schnelle Abtauchen. Die körperliche Anstrengung erhöht aber auch den Sauerstoffverbrauch, und die Einsatzzeit schrumpft. Daher empfiehlt es sich, eine Führungsleine quer unter das Schiff zu ziehen. Am besten gleich auf der richtigen Höhe, also beispielsweise hinter dem Saildrive. Die Leine sollte aus einem Material sein, das sinkt, und nicht allzu stramm gespannt werden, damit sie nicht zu eng am Rumpf anliegt und man sie gut greifen kann. Ein Polyester-Festmacher oder eine Schot sind gut geeignet. Dyneema-Tauwerk weniger, sein Kern hat Auftrieb und sinkt nicht so gut ab. An der Führungsleine kann man sich gut zum Unterwasserschiff ziehen und dort festhalten. Das spart Luft und verlängert so die für die Inspektion zur Verfügung stehende Zeit.

Einsatz einer Mini-Tauchflasche am Unterwasserschiff

Die Einsatzzeit unter Wasser sollen auch die vielerorts angebotenen Mini-Tauchflaschen verlängern. Dabei handelt es sich im Grunde um eine Tauchausrüstung, bei der Druckbehälter und Atemregler eine Einheit bilden, die ohne weitere Gurte oder ähnliches nur vom Mundstück am Körper gehalten werden. Statt der üblichen Taucherflaschen mit zehn bis 15 Litern Fassungsvermögen besitzt die Mini-Flasche je nach Modell zwischen 0,2 und 0,5 Liter Volumen. Das ist zwar schön kompakt und leicht, bedingt aber sehr kurze Einsatzzeiten. Die Mini-Flaschen werden in der Regel mit einem Druck von 200 bar betrieben. Damit ergibt sich bei Atmosphärendruck ein Luftvorrat von maximal 100 Litern. Der Verbrauch beim Tauchen richtet sich nach der Atemtechnik und der Tiefe. Je weiter es nach unten geht, desto höher ist der Umgebungsdruck und desto mehr Luft wird pro Atemzug benötigt, außerdem spielt der körperliche Einsatz eine Rolle. Je ruhiger der Taucher atmet, desto kleiner ist der Verbrauch.

Als Schätzwert für ungeübte Taucher im Einsatz am Unterwasserschiff kann man 30 Liter pro Minute ansetzen. Die Mini-Flasche reicht dann gerade einmal für drei Minuten. Andererseits kann kaum jemand die Luft so lange anhalten und gleichzeitig am Schiff arbeiten. Zudem sollen sich die Mini-Tauchsysteme per Handpumpe oder kompaktem Kompressor direkt an Bord nachfüllen lassen.

Wie hilfreich die Mini-Flasche tatsächlich ist, lässt sich nur in der Praxis bewerten, daher haben wir das System von Mini-Dive ausprobiert. Der französische Hersteller hat Niederlassungen in Deutschland und den USA und bietet diverse Varianten an. Das von uns getestete System besteht aus einer 0,5-Liter-Kohlefaser-Flasche mit Atemregler und einem per 12 Volt betriebenen Kompressor. Es wird für 750 Euro angeboten. Vorteil der Kohlefaser-Flasche: Sie lässt sich auf 250 bar befüllen und bietet damit 25 Prozent mehr Luftvorrat als eine 200-bar-Aluminium-Flasche.

Befüllen der Tauchflasche

Zum Füllen wird die Flasche mit dem Füllschlauch des Kompressors verbunden und dieser aktiviert. Um den Kompressor mit Strom zu versorgen, liegt ein Kabel mit Polzangen bei, das direkt an den Akku angeschlossen werden soll – angesichts der Stromaufnahme eine nachvollziehbare Lösung. Bei 250 bar benötigt der Kompressor rund 27 Ampere, wobei er sich trotz des sehr lauten Kühlgebläses auf rund 45 Gard erwärmt. Nach 25 Minuten sind 250 bar Betriebsdruck erreicht, und der Tauchgang kann beginnen. Der Füllvorgang muss manuell überwacht und gestoppt werden. Einen Kompressor mit automatischer Abschaltung bietet Mini-Dive nur für 230 Volt an, er kostet 800 Euro. Damit die Atemluft in der Flasche trocken und ölfrei ist, wird sie durch einen Aktivkohlefilter mit Trockenmittel geleitet. Dieser Filter soll nach jeder kompletten Füllung ausgetauscht werden.

Nachdem die Flasche den Betriebsdruck erreicht hat, stoppt man den Kompressor, lässt den Überdruck aus dem Füllschlauch und trennt die Druckluftkupplung. Dann ist das System einsatzbereit, und es kann getaucht werden. Einmal im Wasser, fällt die kleine Flasche kaum auf, das Gefühl unterscheidet sich nur wenig davon, einen herkömmlichen Schnorchel im Mund zu haben, nur dass man eben auch am Unterwasserschiff weiteratmen kann. Wie lange die Luft reicht, hängt stark von der Atemtechnik ab, in den ersten Versuchen war der rote Bereich des Manometers schon nach rund 2,5 Minuten erreicht.

Mit zunehmender Gewöhnung und entsprechend ruhigerer Atmung ließ sich die Tauchdauer auf rund fünf Minuten steigern

Da man den Druckmesser im Betrieb nicht sehen kann, muss die Flasche zum Prüfen des Vorrats abgesetzt werden. Mit zunehmender Gewöhnung und entsprechend ruhigerer Atmung ließ sich die Tauchdauer auf rund fünf Minuten steigern, bevor das Manometer auf Rot stand. Wobei auch dann noch Atemluft aus dem Regler kam. Die Führungsleine leistet auch beim Tauchen mit der Mini-Flasche gute Dienste, um Luft zu sparen.

Ein typischer Einsatz für das System dürfte das Klarieren eines in die Schraube geratenen Tampens sein. Mit welcher Technik die Schneidearbeit unter Wasser effizient zu erledigen ist, hängt vom eingesetzten Werkzeug ab. Denn so geschmeidig die Leine im Trocknen wirkt – mehrfach eng um Propeller und Welle gewickelt, widersetzt sie sich hartnäckig den Messerattacken. Besonders schwierig wird es, wenn das Tauwerk durch die beim Einwickeln entstehende Reibungswärme schmilzt. Vor allem die feinen Nylonfasern von Fischernetzen neigen dazu, sich eng in den Spalt zwischen Propeller und Wellenlager zu ziehen und dort zu einem Kunststoffring zu verbacken.

Im Test sind wir dem Tauwerk mit Bordmesser, Cutter, Brotmesser und auf Anregung eines Lesers auch mit einer Gartenschere zu Leibe gerückt.

Von oben schauen oder abtauchen? Am besten ist die Ausrüstung für beides an Bord

Ob sich die Investition in das System von Mini-Dive für die kurze Einsatzdauer lohnt, muss jeder selbst entscheiden. Um Pocken vom Propeller zu schaben, genügt die Luft, und Mini-Dive ist ein echter Gewinn. Soll das Unterwasserschiff großflächig gereinigt werden, ist das System aber ungeeignet.

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass es sich um ein Tauchsystem handelt und grundsätzlich die gleichen Gefahren lauern wie bei Einsatz einer normalen Tauchausrüstung. Daher sollte man sich im Vorfeld mit der Materie auseinandersetzen und zumindest die Grundlagen beherrschen. Das gilt vor allem, wenn man tiefer als der Kiel nach unten will.

Die Actioncam am Bootshaken ist dagegen ein geringer finanzieller Aufwand, es muss ja nicht das neueste Modell sein. Außerdem lässt sie sich gefahrlos einsetzen, um die Lage trockenen Fußes zu checken.

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