InsolvenzA.W. Niemeyer wird verkauft

Pascal Schürmann

 · 27.02.2023

Insolvenz: A.W. Niemeyer wird verkauftFoto: A.W. Niemeyer
Der Flagship-Store am Hamburger Holstenkamp, dem AWN-Stammsitz

Das Aus für den angeschlagenen Wassersportausrüster scheint abgewendet. Die Suche nach einem Käufer läuft offenbar erfolgreich. Und: Die AWN-Hausmesse findet wie vorgesehen Ende März statt

Hoffnung für den in finanzielle Schieflage geratenen traditionsreichen Wassersportausrüster A. W. Niemeyer: Bereits Anfang April könnte das Hamburger Unternehmen einen neuen Eigentümer bekommen. Im Januar hatte AWN für viele in der Branche überraschend einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Hamburger Amtsgericht gestellt. Die Zukunft des Filial- und Onlinehändlers schien ungewiss.

Nun aber heißt es: „Es steht ganz gut um AWN.“ Das sagte der vom Gericht eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Stefan Denkhaus von der Hamburger Kanzlei Böge, Rohde, Lübbehüsen gegenüber der YACHT. Mehr als ein halbes Dutzend sowohl branchennahe als auch branchenfremde Interessenten hätten in einer ersten Sondierungsrunde bekundet, das Unternehmen übernehmen zu wollen.

Der Hamburger Rechtsanwalt Stefan Denkhaus ist vom Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter für AWN  bestellt wordenFoto: Kanzlei BRL / S. Denkhaus
Der Hamburger Rechtsanwalt Stefan Denkhaus ist vom Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter für AWN bestellt worden

Wie viele davon übrig bleiben, sei zwar im Moment noch nicht abzusehen. Spätestens in der nächsten Runde, die im März abgeschlossen werden soll, seien die potenziellen Käufer jedoch gefordert, konkrete Angebote abzugeben. „Ich bin zuversichtlich, dass sich am Ende mindestens einer, eher sogar mehrere Interessenten finden werden, die ein tragfähiges Konzept zur Fortführung von AWN vorlegen werden, das auf die Zustimmung des Gläubigerausschusses stößt“, so Denkhaus weiter.

Klassisches Ladengeschäft oder Internet-Versandhändler oder beides? Noch ist der künftige Kurs unklar

Ob dann das bestehende AWN-Filialnetz in seiner jetzigen Form erhalten oder gar weiter ausgebaut wird oder aber künftig der Online-Handel klar an erster Stelle steht, darüber konnte der Anwalt nichts sagen. Die strategische Ausrichtung des Unternehmens liege in den Händen des neuen Eigentümers. „In den vergangenen Wochen ist es im Tagesgeschäft prioritär darum gegangen, mit der vorhandenen Liquidität die Läden mit Ware auszustatten. Das ist gelungen. Wir konnten uns die Unterstützung zahlreicher Lieferanten sichern“, sagte Denkhaus.

Umfangreiches Wassersport-Sortiment in der Hamburger FilialeFoto: A. W. Niemeyer
Umfangreiches Wassersport-Sortiment in der Hamburger Filiale

Gleichwohl habe man die ursprünglich geplanten Neueröffnungen weiterer Filialen vorerst gestoppt. Das sei ebenso Sache des Käufers wie die Frage, ob einer der bisherigen AWN-Gesellschafter an Bord bleibe. Und wenn ja, in welcher Form.

Mehrheitlich gehört der Wassersportausrüster der auf Auto- und Straßenschilder spezialisierten Kroschke-Gruppe. Deren Eigentümer Christoph Kroschke hatte nach Bekanntwerden des Insolvenzeröffnungsverfahrens im Januar mitteilen lassen: „Wir hoffen, dass die Folgen für Mitarbeitende, Kunden und Geschäftspartner möglichst gering gehalten werden können und dass sich ein Weg erschließen lässt, um das Unternehmen in neuer Aufstellung und mit neuen Finanzmitteln fortzuführen.” Das klang nicht danach, als sei man an einer weiteren Beteiligung an AWN interessiert.

Für Lieferanten und auch für die 115 Beschäftigten dürfte sowieso spannender sein, ob Christoph Steinkuhl im Unternehmen bleibt. Er ist seit Ende 2019 Geschäftsführer und hält seit etwas mehr als einem Jahr zudem selbst Anteile in unbekannter Höhe an AWN. Sein Vertrag, der eigentlich im Oktober 2022 ausgelaufen wäre, war schon Ende 2021 um fünf Jahre verlängert worden.

Seit 2019 AWN-Geschäftsführer: Christoph SteinkuhlFoto: A.W. Niemeyer
Seit 2019 AWN-Geschäftsführer: Christoph Steinkuhl

Steinkuhl hat zwar in den vergangenen Jahren vieles angestoßen, sowohl hinsichtlich des klassischen Filialgeschäfts als auch im E-Commerce. Dennoch sei im Vergleich zu Wettbewerbern insbesondere der AWN-Internetshop in seiner bisherigen Ausprägung nicht konkurrenzfähig, berichten Insider. Dessen ist man sich bei AWN offenbar bewusst. Unlängst erst hat man die E-Commerce-Kompetenz im Haus verstärkt.

Vier AWN-Gesellschafter, ein Geschäftsführer: Wer bleibt an Bord, wer heuert ab?

Neben Kroschke und Steinkuhl sind Wolfgang Schlaak und Stephan Swinka weitere AWN-Gesellschafter. Während Schlaak ein auf Unternehmensbeteiligungen spezialisierter Investor ist, handelt es sich bei Swinka um einen Konsumgüter- und Handelsexperten. Er war unter anderem Vorstand bei Tchibo sowie CEO bei Ernstings Family und Takko. Inwiefern er seine Expertise bei AWN künftig noch einzubringen vermag, ist unklar. Letztlich hängt auch dies vom kommenden neuen Eigentümer ab.

Der neue Eigentümer wird nur den Kaufpreis für AWN zahlen müssen, übernimmt aber infolge der Übernahme aus der Insolvenz keine finanziellen Bürden. In den Büchern von AWN stehen rund fünf Millionen Euro Bankschulden sowie etwa 1,3 Millionen Euro Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Welche Quote die Gläubiger erhalten und auf welchen Teil ihrer Forderungen sie verzichten, ist abhängig vom Kaufpreis insbesondere für den Warenbestand und die Marke AWN. „Das ist eine Größenordnung, die für einen potenten Inverstor durchaus zu stemmen ist“, gibt sich Stefan Denkhaus optimistisch.

Am wichtigsten dürfte eh sein, dass die Kunden dem Ausrüster die Treue halten beziehungsweise zur Konkurrenz abgewanderte Käufer zurückkehren. Kein einfaches Unterfangen in Zeiten allerorten steigender Preise und einer entsprechend zunehmenden Kaufzurückhaltung.

“Frühlingserwachen” in allen AWN-Filialen Ende März

Um den Leuten wieder Lust auf Wassersport zu machen und Kundenbindungen zu festigen beziehungsweise wiederherzustellen, hält AWN daher an der Ausrichtung seiner hauseigenen Messe trotz des Insolvenzverfahrens fest. Statt der „Hamburg Boat Show by AWN“, die im vergangenen Jahr stattfand und die auf reges Publikumsinteresse stieß, soll es diesmal jedoch ein – nomen est omen – „Frühlingserwachen“ geben. Und das nicht nur am Firmensitz am Hamburger Holstenkamp, sondern in allen sieben Filialen in Deutschland und Österreich.

Aussteller und Besucher auf der Hamburg Boat Show by AWN im März vergangenen JahresFoto: YACHT / Michael Rinck
Aussteller und Besucher auf der Hamburg Boat Show by AWN im März vergangenen Jahres

Gemeinsam mit zahlreichen Wassersportmarken, darunter Gill, Helly Hansen, Musto, Secumar, Torqeedo, OceanBay Neu- und Gebrauchtboote, Yachticon, International und Liqui Moly, will man vom 23. bis 25. März den Besuchern eine große Auswahl an neuen und bewährten Produkten zum Saisonstart präsentieren. AWN-Geschäftsführer Christoph Steinkuhl sagt:

Wir wissen um die Vorfreude der Wassersportler darauf, hervorragend ausgerüstet mit ihren Booten und Yachten endlich in die neue Saison zu starten. Deshalb wollen wir mit unserem ‚Frühlingserwachen‘ dieses Gefühl in unsere Filialen holen.“