Wenn ein Mann wie Yann Eliès sich entschließt beizudrehen, müssen die Bedingungen in der Tat höllisch sein. Und der Wetterbericht macht das auch unmissverständlich klar: Böen von 50 bis 70 Knoten, also teilweise 12 Beaufort, und zehn Meter hohe Wellen bringt das gewaltige Tief, das aus Westen heranzieht. Es triftt das Trio Yann Eliès ("Queguiner - Leucémie"), Jean-Pierre Dick ("St. Michel-Virbac") und Jean Le Cam ("Finisterre Mer Vent"), die auf Platz fünf bis sieben segeln.
Das Sturm-Trauma des Yann Eliès
Eliès gilt als einer der besten Segler im Feld – aber vor allem muss ihm die ganze Situation wie ein gruseliges Déjà-vu vorkommen. Vor acht Jahren segelte er die Vendée Globe mit seiner "Generali" und geriet südwestlich von Australien in schweres Wetter. Bei einem Manöver auf dem Vorschiff bohrte sich sein Boot in eine Welle und stoppte brutal, sodass er über das halbe Vorschiff flog und an den Ausleger des Riggs knallte. Mit gebrochener Hüfte und Rippen schleppte er sich ins Schiff, wo er einen Notruf absetzte. Doch weitab der Helikopter-Range musste er fast zwei Tage auf Beistand warten. Sein Mitstreiter Marc Guillemot ("Safran") wollte ihm zu Hilfe kommen, doch einhand und im hohen Seegang gelang es nicht, dem bewegungsunfähigen Elies zu unterstützen. Sein Freund versuchte ihm im Vorbeifahren Schmerztabletten durch den Niedergang zuzuwerfen, da Eliès bewegungsunfähig auf dem Boden der Kabine lag und seinen Medikamentenkasten nicht erreichen konnte. Erst ein australisches Kriegsschiff barg den Schwerverletzten später ab. Sein Schiff wurde treibend zurückgelassen und konnte später nicht mehr gefunden werden. Der 42-jährige Franzose brauchte eine ganze Weile, um sich von dem schrecklichen Erlebnis zu erholen. Doch nun ist er wieder im Rennen, will das Trauma von einst mit einer beendeten Vendée Globe abhaken.
Und dann erwischt ihn ausgerechnet an ähnlicher Stelle wieder ein solcher Monster-Sturm. Was mag in seinem Kopf nun vorgehen? Auf jedem Fall entschied er sich für maximale Sicherheit: Seit heute früh hat er seinen Open 60 beigedreht und hofft, dass das Schlimmste nördlich von ihm durchzieht. 45 bis 50 Knoten dürften es aber auf jeden Fall werden. Wohl jeder echte Fan des Rennens drückt dem Skipper zurzeit die Daumen.
Flucht vor dem Sturm nach Australien

StMichel-Virbac/Yvan Zedda Flucht nach Norden: Jean-Pierre Dicks "St. Michel-Virbac"
Sein Verfolger Jean-Pierre Dick hat sich entschlossen, vor dem gewaltigen Sturm zu fliehen und ist weit, weit nach Norden abgedreht, will vielleicht sogar durch die Bass-Straße zwischen Australien und Tasmanien segeln, wenn es nötig ist. Doch zurzeit bewegt sich das Sturmtief wohl schneller als vorhergesagt ostwärts und könnte schon heute Nacht durchgezogen sein, was den maximalen Umweg unnötig machen könnte. Wie viele Meilen der Franzose durch den Umweg auf Yann Eliès verliert, bleibt noch abzuwarten.
Mit demselben unguten Gefühl dürfte der dahinter segelnde Jean Le Cam auf die Wetterkarten schauen. Er wird von dem Sturm-Tief heute überholt. Er hatte seine Fahrt schon etwas verlangsamt, in der Hoffnung, das härteste Wetter könnte etwas vor ihm durchziehen. Von den Problemen der beiden vor ihm segelnden Skipper könnte er wohl am meisten profitieren.
Video-Zusammenfassung des gestrigen Tages
Der Rookie mit der Wahnsinns-Performance
Unberührt davon geht das Rennen vor dem Trio weiter. Das Duo Jérémie Beyou ("Maitre Coq") und Paul Meilhat ("SMA"), etwa 800 Seemeilen vor Yann Eliès positioniert, wird erst in den nächsten Tagen von dem Tief eingeholt. Beyou, der durch einen Segel-Schaden zurückgefallen war, kämpfte sich mittlerweile bis auf rund 70 Meilen an Paul Meilhat heran. Der segelt mit seinem Boot, der alten "Macif" vom letzten Vendée-Globe-Gewinner François Gabart, als Rookie ein phänomenales Rennen. Bei allen Video-Übertragungen von Bord ist der Franzose gut gelaunt und fährt das Boot, wie er selbst sagt, nahezu 100 Prozent an seinem Potenzial. "Es ist einfach zu segeln, alle Segel sind noch in Ordnung, ich habe einen guten Rhythmus gefunden", berichtet er. Er tut das, was ihm François Gabart vor dem Start empfohlen hat: "Genieße das Rennen!" Als einziger Nicht-Foiler auf Podiums-Kurs dürfte der sympathische Franzose mittlerweile viele Fans gewonnen haben.
An der Spitze war gestern ein rabenschwarzer Tag für Alex Thomson und seine "Hugo Boss". Nachdem er fast 80 Meilen auf die führende "Banque Populaire VIII" aufholen konnte, blieb er in der Flaute des Auges des Tiefs liegen, das die beiden Boote am Wochenende überlaufen hatte, und bewegte sich stundenlang quälend langsam mit teils nur zwei Knoten vorwärts. Sein Rivale Armel Le Cléac'h hatte zuvor die Zugbahn des Tiefs falsch interpretiert und musste sich weit nach Norden verholen, was ihn reichlich Meilen gekostet hatte. Doch den Verlust machte er locker wett, als er gestern schneller wieder Wind fand als Alex Thomson. Heute Morgen war seine Führung auf über 180 Seemeilen angewachsen.