Der Hamburger Class-40-Skipper Arnt Bruhns nimmt als Amateur erstmals an Frankreichs Transatlantik-Klassiker Route du Rhum teil und hat sich und seine "Iskareen" intensiv auf die Herausforderung vorbereitet. Am Ende des zweiten Sturmtages im "Demolition Derby" schickte der 49-jährige Vater von vier Kindern am Dienstagabend diese Botschaft von Bord:
Hallo zusammen,
die letzten 24 Stunden waren recht aufregend hier. Gestern Abend durfte ich mich bis 23 Uhr mit der Totenflaute herumärgern und wollte eigentlich gerade das schlagende Großsegel herunterholen, als plötzlich Wind aufkam, der sich innerhalb von zehn Minuten mit 20 Knoten etablierte. Los ging es also mit vollem Groß und Solent, über den Verlauf der Nacht habe ich mich dann über drei Reffs und ebenso viele Vorsegel gearbeitet, bis ich heute morgen direkt nach dem Setzen der Sturmfock das Groß gleich komplett geborgen habe – Stormy Daniels alleine am Mast!
Dazwischen gab es noch eine kleine Begegnung mit "Charal", die mit vier Knoten im Weg herumtrieb. Da sie nach AIS nur knapp vor meinem Bug kreuzen sollte, habe ich etwas höher gehalten, um den Abstand zu vergrößern. Als Dank wurde die Entourage in Form eines Motorbootes in Gang gesetzt, das mich die nächste halbe Stunde systematisch in den Wind hochdrückte. Dass ein Segelboot Vortrieb aus Segeln benötigt, schien den Herrschaften nicht klar zu sein, sodass wir fast als Dial-up nebeneinander standen, während "Charal" längst weiter war. Vollidioten!
Zurück zum Vormittag. Der wurde durch den Durchzug einer Front geprägt, die bei einem Ground Windspeed von 35 Knoten Böen bis in die mittleren Vierziger brachte. Nur unter Sturmfock ließ sich das ganz gut abreiten, da kam allerdings noch eine andere Sache ins Spiel: Seegang, richtig hoch. Circa sechs bis acht Meter, wie ich es außerhalb des Southern Ocean noch nicht gesehen habe, was aber so lange kein Problem darstellt, wie man Druck und Fahrt im Schiff hat. Das war aber nach Durchgang der ersten Kaltfront gegen 11 Uhr nicht mehr der Fall. Der Autopilot hatte seine liebe Mühe, das Boot auf Kurs zu den Wellen zu halten. Ich hatte mich gerade durchgerungen, das Groß wieder zu setzen, als zwei besonders schöne Exemplare angerollt kamen. Die erste rollte programmgemäß unter uns durch (was spektakulär genug ist!). Die zweite brach dann, und ich rettete mich mit einem Sprung unter Deck. Das Boot lag ziemlich flach auf dem Wasser, Chaos im Cockpit, zwei Schotentaschen hingen in der Reling und wären fast verloren gegangen. Unter Deck musste ebenfalls erstmal aufgeräumt werden, erzieht irgendwo natürlich zur Ordnung...
Safety first – ich habe dann erstmal abgewartet, bis die Wellen sich etwas abgebaut hatten und ich wieder an Deck bin, um das Groß im dritten Reff zu setzen. Nachmittags habe ich es tatsächlich mal geschafft, zwei Stunden am Stück zu schlafen. Auf den Fatboys kann man gut querliegen, die Schlafwurst von Katrin, hilft den Kopf zu stabilisieren, und der Kopfhörer mt Noise Cancellation filtert den infernalischen Krach weg, den das Boot in den Wellen erzeugt.
Danach waren die Wellen merklich herunter, beim Durchgang einer erneuten Kaltfont konnte ich das Vorsegel wieder auf Trinquette tauschen und fahre nun wieder halbwegs normal durch die Gegend. Der Bordheld des Tages ist der Autopilot, der mich verlässlich durch Wind und Wellen steuert. Beziehungsweise Sönke, er weiß, wie man ihn zum Gehen bringt. Den Tod auf Raten vollzieht heute das Blinklicht der Markierungsboje; die fing letzte Nacht in der Verpackung an zu blinken und ließ sich nicht dazu bewegen, wieder auszugehen, sodass ich eine kleine Mini-Disko in meinem Wohnzimmer habe.
Das Demolition Derby um mich herum bekommt ihr ja wahrscheinlich mit. Ich versuche so heil wie möglich hier durchzukommen, um später bei etwas gemäßigteren Bedingungen den Fokus wieder mehr auf das Race legen zu können. Die Wettfahrtleitung scheint ähnlich zu denken und hat das Zeitlimit für den Zieldurchgang um fünf Tage auf den 7. Dezember verlängert.
So long, liebe Grüße an alle von Bord, Euer Arnt